Erstveröffentlichung am 05.03.2025 - Vielleicht hast du in letzter Zeit auch schon einmal den Ausdruck „Adaptogen“ gehört oder gelesen. Auch wenn es gerade im Trend liegt: Das Wort ist schon über 75 Jahre alt. Es steht für eine Substanz oder eine Heilpflanze, die den Organismus nachweislich dazu befähigt, besser mit psychischen oder körperlichen Stressoren umzugehen und/oder mehr Leistung zu erbringen. Anders als z.B. entzündungshemmende Medikamente oder Beruhigungsmittel, wirken Adaptogene nicht unmittelbar auf die Symptome eines aus dem Gleichgewicht geratenen Organismus ein. Stattdessen unterstützen sie ihn dabei, seinen Normalzustand wiederherzustellen.
Wahrscheinlich weißt du, was ein Adapter ist: Ein Gerät, das irgendetwas (z.B. die Stromspannung) an etwas anderes anpasst. Das lateinische „adaptare“ bedeutet auf Deutsch „anpassen“. Das ...gen am Ende von Adaptogen kommt aus dem Griechischen und bedeutet in diesem Zusammenhang „hervorrufen“. Adaptogene passen also nicht irgendetwas aktiv an, so wie beispielsweise ein Adapter oder ein Blutdruck-senkendes Medikament. Sie veranlassen stattdessen den Organismus, selbst aktiv zu werden, und negative Stressoren wie psychischen Belastungen oder Krankheiten besser zu managen.
Menschen und Tiere brauchen allerdings ein gewisses Maß an Stress, um leistungsfähig zu sein. Bei Stress wird Cortisol ausgeschüttet, ein Hormon, das dem Organismus Höchstleistungen ermöglicht. Arzneimittel, welche die Stressanfälligkeit generell vermindern, haben häufig Nebenwirkungen wie Schläfrigkeit oder verminderte Wahrnehmungsfähigkeit und setzen fast immer die Leistungsfähigkeit herab. Bei der Einnahme von Adaptogenen gibt es diese Nebenwirkungen normalerweise nicht. Tierversuche haben gezeigt, dass die meisten pflanzlichen Adaptogene auch in stark erhöhter Dosierung keine negativen oder gefährlichen Auswirkungen auf Patienten haben. Viele Adaptogene wirken aber nicht mehr besonders gut, wenn sie in falscher Dosierung eingenommen werden.
Fluchttiere wie Pferde profitieren besonders von dem „Leistungsbooster“ Cortisol, der innerhalb von Sekunden Körperfunktionen herunterfährt, die nicht für das unmittelbare Überleben notwendig sind. In Stresssituationen sorgt unter anderem Cortisol dafür, dass ein Großteil der körpereigenen Energie an die Muskeln weitergeleitet wird. Die Durchblutung verstärkt sich, es wird mehr Blutzucker von den Muskeln aufgenommen, die Atmung wird tiefer und beschleunigt sich.
Genau aus diesem Grund können Wildpferde bei einem rasanten Spurt fast alle Raubtiere locker hinter sich lassen. Aber was passiert nach so einer rasanten Flucht in einer Wildpferdeherde? Stehen die Pferde dann zitternd zusammen und werfen wilde Blicke um sich? Trauen sie sich nicht mehr, den Kopf abzusenken und zu fressen, weil sie nach eventuellen Verfolgern Ausschau halten? Daneben geraten: Sie hören auf zu galoppieren und fangen fast augenblicklich wieder an zu grasen. Wie kann das funktionieren?
Die meisten Menschen wären noch stundenlang aufgeregt, wenn ihnen plötzlich ein Wolf hinterhergerannt wäre. Pferde reagieren aber generell schneller als Menschen. Während wir durchschnittlich 1,6 Sekunden für eine Reaktion benötigen, braucht ein Pferd im Durchschnitt bloß 0,5 Sekunden, bis es auf einen Reiz reagiert. Für ein Fluchttier ist das sinnvoll – genauso, wie Adrenalin und Cortisol schnell herunter zu regulieren, um wieder ruhig fressen zu können. Sie sind schließlich Dauerfresser und ihr Magen braucht andauernd Nachschub, damit er nicht übersäuert.
Körperlich und psychisch gesunde Pferde sind wahre Meister im Stressmanagement. Ihr Cortisol- und Adrenalinspiegel reguliert sich nach einer Belastungssituation im Handumdrehen wieder auf die Normalwerte. Ein wichtiger Faktor ist dabei unter anderem das Fressen bei langsamer Vorwärtsbewegung mit abgesenktem Kopf. Bestimmte Umstände können allerdings dazu beitragen, dass Pferde ihre „Alarm-Hormone“ nicht mehr herunterfahren können. Typische Situationen, die bei Pferden Dauerstress auslösen können, sind zum Beispiel:
Durch eine Kur mit pflanzlichen Adaptogenen und einer eventuellen Optimierung der Haltungsbedingungen kannst du dazu beitragen, dass der Organismus deines Pferdes besser auf Krankheiten oder auf bestimmte Lebensumstände reagieren kann. Außerdem scheinen Adaptogene nicht nur dazu beizutragen, dass Stress nach einer Belastungssituation schneller abgebaut wird. Sie haben auch den Ruf, indirekt die Leistungsfähigkeit bei anstrengendem Training (= körperlichem Stress) zu steigern. In den Fünfzigerjahren wurde die Borstige Taigawurzel sogar von den Sportlern der Sowjetunion bei einer Olympiade zur Leistungssteigerung eingesetzt.
Dauerhaft erhöhtes Cortisol kann bei Mensch und Tier verschiedene körperliche und psychische Störungen verursachen. Es verbessert nämlich die Leistungsfähigkeit auf Kosten von „nicht überlebenswichtigen Funktionen“. Dazu gehören zum Beispiel bestimmte analytische Gehirnfunktionen oder Gedächtnisfunktionen. Völlig klar: Wenn plötzlich ein hoch aufgerichteter Bär auf deinem Spazierweg steht, wirst du wohl kaum länger darüber nachdenken, zu welcher Rasse er gehört und ob es ein Männchen oder ein Weibchen ist.
Einem gestressten Pferd geht es ähnlich: Es hat nur noch sein Überleben im Kopf und kann sich auf nichts anderes mehr konzentrieren. Bei Dauerstress – aus welchem Grund auch immer – bleibt dieser Modus permanent eingeschaltet. Außerdem unterdrückt anhaltender Stress das Immunsystem deines Pferdes. Aus der Sicht seines Organismus geht es ja mehr oder weniger andauernd um das nackte Überleben. Also lieber eine Infektion riskieren, als aufgefressen zu werden. Wir Menschen funktionieren in dieser Hinsicht übrigens genauso – und wenn wir dann nichts unternehmen, ist ein Burnout fast schon vorprogrammiert.
Außerdem wird die Regulierung des Blutdrucks, des Blutzuckerspiegels und des Blutfetts von Cortisol beeinflusst. Dauerhaft erhöhte Cortisol-Werte können auch Nervenzellen schädigen. Dadurch können Dysfunktionen im Reiz-Weiterleitungssystem entstehen, die letztendlich Symptome wie Verhaltensstörungen bei Pferden bewirken können. Die Verdauungsfunktion wird ebenso eingeschränkt. Und selbst wenn sich medizinische Laien das kaum vorstellen können: Krankhafte Cortisol-Level können sogar Auswirkungen auf Arthrose oder Osteoporose haben.
In dieser Liste zeigen wir dir mögliche Folgen eines erhöhten Cortisol-Levels beim Pferd auf einen Blick:
Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass zumindest die vier von der EMA anerkannten Adaptogene Rosenwurz (Rhodiola), Borstige Taigawurzel (Eleutherococcus senticosus), Chinesisches Spaltkörbchen (Schisandra) und Chinesischer Ginseng (Panax Ginseng) Wirkstoffe enthalten, die regulierend auf die sogenannte HPA-Achse des Organismus einwirken. Die HPA-Achse besteht aus dem Hypothalamus, der Hypophyse und der Nebennierenrinde.
Der Hypothalamus bildet in seinen Nervenzellen bestimmte Hormone, die der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) signalisieren, selbst Hormone wie FSH, TSH, STH oder ATCH zu bilden. ATCH bewirkt dann in der Nebennierenrinde die Produktion von weiteren Hormonen wie Androgenen, Aldosteron oder Kortison. Der Hypothalamus verursacht aber nicht nur die Ausschüttung von Hormonen. Er kann diese auch hemmen – zum Beispiel durch die Freisetzung von Dopamin und Somatostatin. Diese Hormone sind wichtig, um bestimmte Körperfunktionen nach akutem Stress wieder auf das „Normalniveau“ herunterzufahren.
Ein Pferd mit einem krankhaft erhöhten Cortisol-Level gleicht einem Auto, das auf einer ebenen, geraden Strecke mit Vollgas im zweiten Gang gefahren wird. Du kannst dir bestimmt vorstellen, dass so etwas nicht besonders gesund ist – ganz gleich, ob für Autos, Pferde oder Menschen. Der Versuch, Stress oder Schmerzen zu vermeiden, verursacht noch dazu oft Reaktionen, die ziemlich kontraproduktiv sind: Vermeidungsstrategien. Adaptogene können dazu beitragen, dass diese Stress-Spirale durchbrochen wird und betroffene Tiere wieder besser entspannen können.
Quellenangaben
https://european-union.europa.eu/institutions-law-budget/institutions-and-bodies/search-all-eu-institutions-and-bodies/european-medicines-agency-ema_de
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1756464623002955
https://www.uniklinik-freiburg.de/fileadmin/mediapool/08_institute/rechtsmedizin/pdf/Taigawurzel_-Wissenschaftliche_Brosch%C3%BCre.pdf
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1567576919328620
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC6240259/
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC8398443/
Redaktionelle Mitarbeit: Nelly Sophie Lönker, Medizinredaktion
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