Unter amerikanischen Turniercracks gibt es Pferde, die sich jahrelang mit Magenproblemen herumgeschlagen haben, ohne dass es irgendjemandem auffiel. In unseren Breiten passiert das auch, selbst wenn sich die meisten Pferdehalter große Mühe geben, ihre Tiere unter optimalen Bedingungen zu halten.
Magengeschwüre beim Pferd können, aber müssen nicht durch Boxenhaltung und Trainingsstress verursacht werden. Sie kommen nicht nur bei Pferden von Turnierreitern vor, sondern können auch frei laufende Zuchtstuten und sogar Fohlen betreffen.
Hier erfährst du, warum das so ist und wie du bei deinem Pferd Magengeschwüren vorbeugen kannst.
Redaktionelle Mitarbeit: Nelly Sophie Lönker, Medizinredaktion
Diese Seite soll Pferdehalterinnen und Pferdehaltern lediglich Informationen über Krankheiten und Symptome beim Pferd vermitteln. Die Informationen dürfen weder die Beratung oder Behandlung durch einen Tierarzt ersetzen noch dazu verwendet werden, eigenständig medizinische Behandlungen vorzunehmen. Sie dienen nicht zur Selbstdiagnose und/oder Selbstbehandlung und ersetzt keinesfalls die Diagnose durch einen Tierarzt.
Die Bezeichnung „Magengeschwür“ (Equine Gastric Ulcer Syndrome) ist ein Oberbegriff für einen Symptomenkomplex, der durch geschwürige Veränderungen an den inneren Magenwänden eines Pferdes verursacht wird. 1999 wurde dafür durch das European College of Equine Internal Medicine Consensus das internationale wissenschaftliche Kürzel „EGUS“ eingeführt. In der Praxis erwies sich die Krankheitsbezeichnung aber als zu ungenau, da es – abhängig von der Lokalisation – zwei verschiedene Formen von geschwürigen Veränderungen am Pferdemagen gibt, die auch unterschiedlich therapiert werden sollten.
Anders als beim Menschen bestehen die Magenwände des Pferdes aus Abschnitten mit unterschiedlicher Zellstruktur: Einer davon besteht aus einfacher Schleimhaut und der andere besitzt Drüsen, die Verdauungsenzyme produzieren.
Magengeschwüre im drüsigen Bereich der Magenwände werden mittlerweile von den meisten Tierärzten bei ihrer Diagnose als „Equine Glandular Gastric Disease“ oder EGGD bezeichnet. Geschwüre auf der glatten Magenschleimhaut fallen unter den Begriff „Equine Squamus Gastric Disease“ oder ESGD.
Geschwürige Veränderungen der Magenschleimhaut bleiben bei Pferden oft unerkannt, weil die Symptome dafür nicht eindeutig sind. Sie kommen auch bei zahlreichen anderen Pferdekrankheiten vor. Zudem machen sich Magengeschwüre beim Pferd zumeist durch Symptome bemerkbar, die nur von einem geschulten Auge in ihrer Gesamtheit erfasst und interpretiert werden können. Pferdehaltern ist also kein Vorwurf zu machen, wenn sie nicht erkennen, dass ihr Pferd unter Magenproblemen leidet.
Hier die häufigsten Symptome für Magengeschwüre beim Pferd auf einen Blick:
Diese Symptome treten nur selten gemeinsam auf und sind oft so gering, dass du sie leicht übersehen kannst. Manche Pferde mit gesichertem Befund von EGUS weisen überhaupt keine klinischen Symptome auf. Deshalb sind Tierärzte dazu angehalten, ihre Diagnose beim Verdacht auf Magengeschwüre auf bildgebende Verfahren zu stützen.
EGUS beim Pferd ist eindeutig eine der sogenannten „Zivilisationskrankheiten beim Pferd“. Immer mehr Reiter halten ihre Pferde auf eine Art und Weise, die ihre natürlichen Bedürfnissen bis zu einem gewissen Grad gerecht wird. Aber kaum ein Pferdehalter ist sich bewusst, wie stark der Organismus seines Freizeitkameraden an seine ursprüngliche Lebensweise als Wildpferd angepasst ist.
Der Pferdemagen ist für das Leben in der Steppe konzipiert. Er produziert pausenlos Magensäure, die dabei hilft, unzählige kleine Futterportionen mit wenig Energiegehalt zu verdauen. Pferde sind wahre Energiereaktoren. Sie können Zellulose unter anderem in Wärmeenergie, Bewegungsenergie oder in eine Milchleistung von 10 bis 15 Litern pro Tag umwandeln. All das klappt perfekt, solange sie unter den Bedingungen leben können, für die sie sich entwickelt haben.
Als Pferdehalter sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass das Verdauungssystem eines Pferdes auf bestimmte Bedingungen „programmiert“ ist: bis zu 16 Stunden grasen, energiearmes Futter und stressfreie Futteraufnahme bei langsamer Bewegung im Schritt. Wildpferde kommen nicht in Dauerstress. Sie leben natürlich und können Stresssituationen durch die Bewegung bei der Flucht kompensieren. Bei vielen unserer Pferde schlägt der zivilisationsbedingte Dauerstress auf den Magen – ganz wie bei manchen Menschen.
Falls dein Pferd so wirkt, als könnte es Magengeschwüre haben, solltest du ihm bis zum Eintreffen eines Tierarztes kein Kraftfutter mehr füttern, sondern nur noch mageres Heu soviel es mag. Achte darauf, dass rund um die Uhr sauberes Wasser zur Verfügung steht. Außerdem solltest du dafür sorgen, dass dein Pferd keinem Stress ausgesetzt wird. Bei Stress reduziert das ausgeschüttete Adrenalin die Verdauungsfunktionen, was in den meisten Fällen eine erhöhte Konzentration von Magensäure zur Folge hat.
Bei einigen Pferden, deren Symptome auf Magengeschwüre hinweisen, wurden schon Neoplasten (Wucherungen) wie beispielsweise Plattenepithelkarzinome nachgewiesen. Gelegentlich wird bei Magenspiegelungen auch festgestellt, dass die betroffenen Tiere unter Magenentleerungsstörungen leiden. Aus diesem Grund sollte bei einem Pferd mit Anzeichen von EGUS möglichst eine Gastroskopie (Magenspiegelung) durchgeführt werden.
Die einzige Möglichkeit, Magengeschwüre bei Pferden sicher zu diagnostizieren, ist eine Gastroskopie per Endoskop. Endoskope sind Untersuchungsinstrumente, die in Hohlräume von Organen eingeführt werden, um mit einer Kamera an ihrem Ende Bilder vom Inneren eines Organs aufzunehmen. Bei einer Gastroskopie am Pferd wird dem sedierten Tier durch die Nüstern ein Endoskop in die Speiseröhre bis in das Innere des Magens eingeführt.
Die aktuell verwendeten Instrumente liefern sehr gute Aufnahmen, mit denen ein Tierarzt seine Verdachtsdiagnose untermauern kann. Gastroskopien werden zumeist in Fachkliniken für Pferde durchgeführt. Vor der Untersuchung müssen die Pferde unbedingt zwölf Stunden lang völlig nüchtern bleiben, damit sich ihr Magen komplett entleert – ansonsten ist durch das Endoskop nicht viel zu erkennen. Das Trinken von Wasser ist aber gestattet.
Je nachdem, wo die Magengeschwüre aufgetreten sind, werden sie unterschiedlich behandelt. Zur medikamentösen Therapie von ESGD (Läsionen im glatten Magenschleimhaut-Bereich) werden zumeist Protonenpumpenhemmer wie der Säureregulierende Wirkstoff Omeprazol eingesetzt. Dieser kann – je nach Dosierung – die Ausschüttung von Magensäure reduzieren oder verhindern. Omeprazol wird etwa eine halbe bis eine Stunde vor der Fütterung oral (ins Maul) verabreicht.
Sucralfat ist ein weiterer Wirkstoff, der die Magenschleimhaut vor Säure und anderen aggressiven Substanzen schützen kann. Die medikamentöse Therapie von Magengeschwüren bei Pferden erstreckt sich zumeist über den Zeitraum von etwa einem Monat. Bei Läsionen in der drüsigen Magenschleimhaut (ESGD) wird meistens zusätzlich noch ein Prostaglandin-Derivat (Misoprostol) eingesetzt. Das Medikament wird zwei Mal täglich in aufgelöster Form mit etwas Kraftfutter vermischt oder per Spritze ohne Nadel direkt ins Maul gegeben.
Nach der medikamentösen Behandlung ist es sinnvoll, eine Kontroll-Gastroskopie durchzuführen, um den Erfolg der Therapie bewerten zu können. Das Wichtigste bei der Behandlung von EGUS ist aber, etwaige Auslöser der Erkrankung zu eliminieren. Laut zahlreicher Studien gehören dazu vorrangig Stressfaktoren: Beispielsweise leiden in den USA laut einer Studie etwa 37 Prozent der untrainierten Vollblut-Rennpferde unter Magenproblemen (ESGD). Nach zwei bis drei Monaten Renntraining steigt die Anzahl der erkrankten Pferde auf 80 bis 100 Prozent.
Bierhefepräparate und eine Kombination von Pektin-Lecitin-Komplexen haben sich in einigen Fallstudien als gute Hausmittel zur Unterstützung einer Behandlung gegen Magengeschwüre bei Pferden bewährt. Auch dem Sanddorn wird eine positive Wirkung auf den Pferdemagen zugeschrieben. Vitamin-B-Präparate sollen ebenso schon Therapien bei Magenproblemen günstig beeinflusst haben – wahrscheinlich, weil sie die Nervenfunktionen unserer Vierbeiner auch in Belastungssituationen unterstützen und so das Stresslevel reduzieren können.
Natürliche oder chemische Säurepuffer haben hingegen nur einen kurzen Effekt von etwa zwei Stunden. Also wage bitte keine Experimente mit dem gehypten Natron als Wundermittel gegen „Sodbrennen beim Pferd“. Das wäre ein Eingriff in grundlegende Stoffwechselfunktionen, der nur studierten Veterinärmedizinern vorbehalten sein sollte. Wenn du unbedingt etwas ausprobieren möchtest, kannst du deinem Pferd bei Magengeschwüren die homöopathischen Globuli „Nux vomica“ in Potenzen bis zu C30 verabreichen. Aber auch unterstützende homöopathische Behandlungen wirken besser, wenn sie von ausgebildeten Fachspezialisten eingesetzt werden.
Wissenschaftler nehmen aus naheliegenden Gründen an, dass Weidegang eine gute Prophylaxe gegen Magenprobleme bei Pferden ist. Laut einer Studie war das Risiko von Pferden, an Magengeschwüren zu erkranken noch einmal herabgesetzt, wenn sie auf einer ausgedehnten Weide in einer (relativ) harmonischen Gruppe von Artgenossen standen. Weitere Studien belegen, dass die Fütterung von Heu oder Gras keinen Unterschied im pH-Wert des Pferdemagens bewirkt.
Die Fütterung von Getreide verursacht anscheinend eine höhere Produktion von Magensäure. Bei zu langen Fütterungsintervallen (mehr als vier bis sechs Stunden) scheint sich das Risiko für Magenprobleme und Koliken um das Dreifache zu erhöhen. Dasselbe gilt in etwa auch dann, wenn die Pferde keinen permanenten Zugang zu trinkbarem Wasser haben. All diese Studien legen nahe, dass artgerechte Pferdehaltung eine optimale Prophylaxe gegen Magengeschwüre beim Pferd darstellt.
Magengeschwüre beim Pferd werden wohl hauptsächlich durch Haltungs- und Trainingsbedingungen sowie durch nicht artgerechte Fütterung ausgelöst. Sie können sich aber bei einer angemessenen Therapie und den entsprechenden Veränderungen im Stallmanagement wieder zurückbilden. Es wird geschätzt, dass etwa 50 Prozent aller Pferde in Deutschland Magenprobleme haben – die meisten von ihnen ohne tierärztliche Diagnose.
Quellenangaben
https://www.sciencedirect.com/topics/veterinary-science-and-veterinary-medicine/equine-gastric-ulcer
https://flexikon.doccheck.com/de/Equine_Gastric_Ulcer_Syndrome_(Pferd)
https://flexikon.doccheck.com/de/Equine_Squamous_Gastric_Disease_(Pferd)
https://flexikon.doccheck.com/de/Equine_Glandular_Gastric_Disease_(Pferd)
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