Wenn du einen Ekzemer besitzt, entwickelst du wahrscheinlich mit der Zeit eine Abneigung gegen die sogenannte "schöne Jahreszeit". Wer kann sich denn auch am schönen Wetter erfreuen, wenn er weiß, dass sein Pferd bald wieder vom Juckreiz in den Wahnsinn getrieben wird?
Insektensprays, Ekzemerdecken, Futterzusätze & Co. bieten nur einen bedingten Schutz vor den Allergieauslösern. Die ganze Sache ist eine Plage für Mensch und Tier, die durch den Klimawandel noch verstärkt wird. Aber vielleicht gibt es bald Hoffnung für Pferde mit Sommerekzem.
Redaktionelle Mitarbeit: Nelly Sophie Lönker, Medizinredaktion
Diese Seite soll Pferdehalterinnen und Pferdehaltern lediglich Informationen über Krankheiten und Symptome beim Pferd vermitteln. Die Informationen dürfen weder die Beratung oder Behandlung durch einen Tierarzt ersetzen noch dazu verwendet werden, eigenständig medizinische Behandlungen vorzunehmen. Sie dienen nicht zur Selbstdiagnose und/oder Selbstbehandlung und ersetzt keinesfalls die Diagnose durch einen Tierarzt.
Sommerekzem ist eine stark juckende allergische Dermatitis, bei der sich die beiden oberen Hautschichten entzünden. Früher ging man davon aus, dass Stiche von Kriebelmücken (Simuliide, Black Flies) diese Dermatitis auslösen. Heute sind sich die meisten Wissenschaftler einig, dass Gnitzen (Ceratopogonidae) die Hauptverursacher des Sommerekzems bei Pferden sind. Bei manchen Pferden können aber auch Stiche von Bremsen, Moskitos und Kriebelmücken das Ekzem auslösen.
Etwa 50 % aller importierten Islandpferde entwickeln während der ersten vier Jahre ihres Aufenthalts in Deutschland ein Ekzem, weil ihr Immunsystem keine Erfahrung mit dem Allergieauslöser hat und deshalb überreagiert. Aber auch viele andere nordische Pferderassen und sogar Pferde aus südlichen Ländern sind betroffen. Ihr Immunsystem reagiert allergisch auf bestimmte Proteine im Speichel der Gnitzen. Die allergische Disposition ist größtenteils genetisch vorgegeben.
Der Stich einer Gnitze bewirkt bei Mensch und Tier grundsätzlich erst einmal eine "normale" entzündliche Reaktion: Er verursacht starken Juckreiz und es bilden sich ein oder mehrere Bläschen. Bei entsprechend disponierten Pferden kann der Speichel von Culicoides darüber hinaus eine allergische Dermatitis mit Pusteln, Bläschen und Haarausfall in Gang setzen, die einen unerträglichen Juckreiz verursacht: das Sommerekzem.
Betroffene Pferde versuchen durch, teilweise rabiates, Scheuern diesen Juckreiz zu lindern. Mähne, Bauchnaht und Schweif gehören zu den bevorzugten Angriffsstellen von Gnitzen. Deshalb sieht die Schweifrübe von Ekzemern zerrupft aus und das Mähnenhaar ist seitlich oder auch völlig abgescheuert.
Chronisches Ekzem bei Pferden zeigt sich durch eine Verdickung der Haut an den betroffenen Stellen. Mit der Zeit bilden sich vor allem am Mähnenkamm und an der Schweifrübe Hautfalten in Querrichtung. Durch das Scheuern entstehen zumeist zusätzliche Sekundärinfektionen.
Hier die Symptome vom Sommerekzem auf einen Blick:
Sommerekzem wird bei Pferden, Rindern oder Schafen im mitteleuropäischen Flachland hauptsächlich durch Stiche von Culicoides, einer Unterart der Gnitzen, ausgelöst. Diese winzigen Mücken sind nur ein bis vier Millimeter lang, haben einen aufgewölbten Rücken und auffällige Antennen. Ihre Flügel sind behaart und gefleckt. Culicoides sind weltweit verbreitet, außer in den Polargebieten, Neuseeland und Island. In Mitteleuropa treten sie hauptsächlich in der Zeit von April bis zum ersten Frost auf.
Gnitzen legen ihre Eier bevorzugt an feuchte oder schlammige Stellen mit einem großen Anteil an organischem Material. Ein Misthaufen ist also die optimale Brutstätte für die kleinen Blutsauger, wobei es auch viele Arten von Culicoides gibt, die ihre Eier an den Uferrand von Gewässern legen. Ihre Larven durchlaufen vier Larvenstadien, bis sie sich verpuppen. Fortpflanzungsfähige Culicoides leben, je nach Art, zwischen zwei und fünf Wochen. Die männlichen Gnitzen ernähren sich hauptsächlich von Blütennektar. Auch die Weibchen saugen Nektar, sie brauchen aber Blut für die Entwicklung ihrer Eier. Alle drei bis fünf Tage gehen sie deshalb auf die Suche nach Warmblütern.
In unseren Breiten sind die meisten Culicoides tagaktiv, einige Arten sind jedoch auch dämmerungsaktiv. Sie finden ihren Wirt hauptsächlich dadurch, dass sie das von ihm ausgeatmete CO2 orten. Im Hochsommer sind Gnitzen am aktivsten. Culicoides treten häufig in Schwärmen auf. Aufgrund ihrer geringen Größe ist ihr Flugradius stark eingeschränkt. Sie halten sich zumeist im Umkreis von etwa 100 Metern von ihrer Brutstätte auf. Stärkerer Wind weht sie einfach davon.
Wenn du glaubst, dass dein Pferd ein Ekzemer sein könnte, solltest du es an einen dunklen, kühlen und gut belüfteten Ort bringen. Dann verständige deinen Tierarzt. Je früher ein Sommerekzem bei Pferden diagnostiziert wird, desto erfolgversprechender ist die Therapie.
Das Wichtigste ist, den Kontakt zwischen deinem Pferd und dem Allergieauslöser zu vermeiden. Gnitzen mögen es warm, windstill und hell bis dämmerig. Sie brauchen matschigen Boden, einen Misthaufen oder Uferzonen von Gewässern als Brutstätten und finden ihre Opfer über den Geruch von ausgeatmetem CO2. Also kannst du mit folgenden Maßnahmen die Wahrscheinlichkeit verringern, dass dein Pferd von Gnitzen gestochen wird:
Es ist eher unwahrscheinlich, ein Sommerekzem bei Pferden mit einer anderen Dermatitis zu verwechseln. Haematopinus asini, die blutsaugende Pferdelaus, verursacht ebenfalls einen heftigen Juckreiz an Schweif und Mähne, fast genauso stark wie die Stiche von Gnitzen. Allerdings tritt Haematopinus asini hauptsächlich bei Pferden mit dichtem Winterfell in den Monaten zwischen November und März auf.
Während der Flugzeit von Gnitzen & Co. wird dein Tierarzt wahrscheinlich das Blut deines Pferdes in einem Labor auf allergene IgE Antikörper untersuchen lassen. Wenn diese Antikörper vorhanden sind, ist dein Pferd Allergiker.
In der kalten Jahreszeit machen sogenannte "funktionelle Zellstimulationstests" mehr Sinn. Mit dem FIT-Test (funktioneller in-Vitro-Test für Typ I Allergien der Tierärztlichen Hochschule Hannover) kann zum Beispiel bei einer Ankaufsuntersuchung im Winter festgestellt werden, ob das zum Verkauf stehende Pferd ein Ekzemer ist.
Die eigentliche allergische Disposition und die Allergie gegen den Speichel bestimmter Mückenarten sind momentan noch nicht heilbar. Dein Tierarzt kann aber in bestimmten Laboren Allergentests vornehmen lassen. Dadurch ist es möglich, die Allergieauslöser genau zu identifizieren.
Auf dieser Grundlage kann dann eine Hyposensibilisierung (Desensibilisierung gegen den Allergieauslöser) vorgenommen werden. Dabei wird der Organismus des Pferdes schrittweise an das Allergen gewöhnt. Als Resultat können sich die Symptome verbessern und im Optimalfall ganz ausbleiben.
Einige Tierärzte setzen bei starken Symptomen Glucocorticoide (Kortison) ein, um den Teufelskreis der Allergie zu unterbrechen. Cortisonpräparate sollten aber nur in Ausnahmefällen für einen kurzen Zeitraum lokal angewendet werden, weil sie zahlreiche Risiken bergen, beispielsweise für Hufrehe. Was hingegen bei jedem Ekzemer Sinn macht: die Überprüfung und eventuelle Optimierung der Versorgung mit Spurenelementen und Mineralstoffen, die für den Hautstoffwechsel maßgeblich sind. Außerdem solltest du eiweiß- und kohlehydratreiche Futtermittel vom Speiseplan deines Pferdes streichen.
Und hier die guten Neuigkeiten: Ab 2023 könnte eventuell ein Impfstoff marktreif sein, den Schweizer Forscher bisher recht erfolgreich an importierten Isländern getestet haben. Die Grundidee war, bei Ekzemern die Entwicklung der sogenannten "eosinophilen Granulozyten" zu dämpfen, die für die allergische Reaktion verantwortlich sind. Deren Entwicklung und Interaktion mit dem Immunsystem wird wiederum von dem Zytokin IL-5 gesteuert. Die Forscher haben deshalb einen Impfstoff entwickelt, der die Bildung von Antikörpern gegen IL-5 in Gang setzt. Mit etwas Glück steht er bald zur Verfügung.
Die neusten Informationen zum Thema Impfstoff findest Du auf unserer Seite Neue Therapien beim Sommerekzem.
Es gibt unzählige Ekzemer in Deutschland. Entsprechend groß ist auch das Angebot an alternativen Therapieansätzen. Bestimmt ist es nicht falsch, deinem Pferd ein duftendes Kräuterfutter zu gönnen, zumal die Pflanzenvielfalt auf unseren deutschen Wiesen stark zu wünschen übrig lässt.
Achte aber beim Kauf darauf, dass dem Futterzusatz keine künstlichen Geschmacks- und Aromastoffe oder Konservierungsmittel zugesetzt sind. Diese Stoffe können nämlich ebenfalls Allergien auslösen. Auch wenn das Futter deinem Pferd bestimmt schmeckt: Leider lässt sich die Allergie gegen Gnitzen und sonstige Mücken nicht durch irgendein Zusatzfuttermittel heilen.
Eine homöopathische Konstitutionstherapie kann die Maßnahmen deines Tierarztes unterstützen, wenn sie von einem erfahrenen Tierheilpraktiker durchgeführt wird. Im Optimalfall kann das Immunsystem dadurch unterstützt werden, überschießende allergische Reaktionen zu reduzieren. Bei manchen Allergikern kann auch eine Eigenbluttherapie erfolgreich sein. Die üblichen Mittel zur Abwehr von blutsaugenden Fluginsekten machen bei Allergien, die hauptsächlich von Gnitzen ausgelöst werden, nur wenig Sinn.
Ein gutes Stallmanagement und eine qualitativ hochwertige Ekzemerdecke haben schon oft dazu geführt, dass Ekzemer symptomfrei blieben. Alle betroffenen Pferde sollten in der warmen Jahreszeit einen gut belüfteten Unterstand zur Verfügung haben, der durch breite Streifen von herabhängenden Beschattungsnetzen relativ insektendicht und dunkel ist. Am höchsten Punkt vom Dach sollte sich ein schmaler unbedeckter Streifen befinden, durch den eingedrungene Fluginsekten wieder entweichen können. Die Blutsauger fliegen zum einen meistens in Richtung des Lichts und zum anderen fast immer nach oben, wenn sie sich eingesperrt fühlen. Gutes Stallmanagement ist aktuell noch die beste Vorsorgemaßnahme.
Eine allergische Reaktion auf den Speichel blutsaugender Fluginsekten lässt sich bei entsprechender genetischer Disposition momentan noch nicht völlig vermeiden. Eine Hyposensibilisierung gegen die Allergieauslöser bringt unter Umständen positive Resultate. Durch geschicktes Stallmanagement können allergische Pferde allerdings nahezu symptomfrei bleiben. Ab 2023 kannst du damit rechnen, dass ein Impfstoff für Sommerekzemer marktreif wird. Die neusten Informationen findest Du auf unserer Seite unter "Neue Therapien beim Sommerekzem".
Quellenangaben
https://ark-equine.com/sweet-itch-a-common-problem-in-horses/
https://www.sciencedirect.com/topics/veterinary-science-and-veterinary-medicine/sweet-itch
https://www.gvgbrooksequine.co.uk/sweet-itch/
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/3608962/
https://flexikon.doccheck.com/de/Allergisches_Sommerekzem_(Pferd)
Mittlerweile sind die Wissenschaftler ihrem Ziel, eine wirksame Impfung gegen Sommerekzem auf den Markt zu bringen, schon sehr nahe gekommen.
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