Anfang 2024 wurde das Internet mit Publikationen zum Thema Kriebelmücke geflutet. Teilweise wurde die winzig kleine Mücke als „neue Insektenart“ bezeichnet. Viele Pferdehalter dürften sich wohl über diesen Hype gewundert haben. Immerhin galten die kleinen Blutsauger noch bis vor Kurzem als Auslöser des Sommerekzems bei Pferden und sind fast allen Pferdefreunden dem Namen nach bekannt.
Kaum jemand weiß aber, dass Schwärme von Kriebelmücken bei Pferden und Rindern gefährliche Panikreaktionen auslösen können. Hinzu kommt, dass ein Kriebelmücken Biss Spätfolgen wie Infektionen oder lokale Hautläsionen verursachen kann. Massenhafte Kriebelmücken Stiche können außerdem Herz-Kreislauf-Probleme auslösen. Hier findest du alle wichtigen Informationen zur Kriebelmücke.
Um die Ohren deines Pferdes bewegen sich winzig kleine Fliegen die stechen? Dann hast du es wahrscheinlich mit einer Unterart von Kriebelmücken zu tun: Simulium equidae – die Pferde-Kriebelmücke. Es gibt auch eine Kriebelmücken-Art, die ihre Blutmahlzeit besonders gern an der Bauchnaht von Rindern und Pferden einnimmt: Simulium erythrocephalum – die Rotkopf-Kriebelmücke.
In Deutschland gibt es mehr als 50 Unterarten von Simuliidae. Sie sind zwischen zwei und sechs Millimeter groß und gehören zur Familie der Stechmücken, auch wenn sie eher wie Fliegen aussehen. Sie haben einen gedrungenen Körperbau, einen aufgewölbten Rumpf, besitzen zwei Flügel ohne auffällige Zeichnung und ähneln insgesamt einer winzigen buckligen Fliege. Die meisten Kriebelmücken-Arten sind schwarz. Deshalb werden sie auf Englisch auch „Black flies“ genannt
Anders als in manchen Internet-Publikationen behauptet, sind die winzigen Blutsauger schon sehr lange – und teilweise auch massenhaft – in unseren Breiten ansässig. Es gibt einige wissenschaftlich dokumentierte Bernstein-Funde mit eingeschlossenen Simuliidae aus Sizilien und dem Baltikum. Sie werden dem Tertiär zugeordnet. Kriebelmücken existieren schon viel länger auf unserem Planeten als wir Menschen.
Das Tertiär steht für die Epoche nach der Kreidezeit vor 66 Mio. Jahren bis zum Beginn des Quartärs vor 2,6 Mio. Jahren. Kriebelmücken haben also Warmblüter wie Pferde oder Menschen während ihrer gesamten Entwicklung begleitet. Deshalb kannst du davon ausgehen, dass Kriebelmücken nicht ganz so gefährlich sind, wie in einigen Publikationen behauptet wird.
Es ist noch gar nicht so lange her, dass die meisten Pferdehalter glaubten, Kriebelmücken könnten Sommerekzem bei Pferden auslösen. Tierärzte und Wissenschaftler teilten diese Ansicht. In den meisten älteren Studien zum Sommerekzem wird nämlich angenommen, dass Simuliidae für die allergischen Hautreaktionen der Ekzem-Pferde verantwortlich sind. Das wurde mittlerweile widerlegt.
Im Speichel dieser Insekten befinden sich zwar Substanzen, die allergische Hautreaktionen bewirken. Aber die sind auch im Speichel anderer Stechmücken-Arten enthalten. Im Normalfall entsteht nach einem Kriebelmücken Biss nur eine stark juckende, rote Quaddel. Die Entwicklung eines Sommerekzems bei Isländern und anderen robusten Pferderassen geht eher zulasten der Gnitzen (Culicoides).
Einzelne Kriebelmücken Bisse sind für Pferde eher ungefährlich. Bei Allergikern können sie allerdings starke lokale Hautreaktionen verursachen und bereits vorhandene Symptome verstärken. In diesem Fall bilden sich Knötchen oder Quaddeln, bei starken Reaktionen auch Ödeme. Gefährlich wird es erst, wenn die winzigen Mücken in wolkenartigen Schwärmen auftreten.
Bei schwülwarmem Wetter kann es zu einem massenhaften Auftreten der Kriebelmücke kommen. Manchmal passiert es, dass die winzigen Mücken von Weidetieren eingeatmet werden und bis in die Lunge gelangen. Zudem kann bei massenhaften Stichen von Simuliidae eine sogenannte „Simuliotoxikose“ entstehen. Sie kann in manchen Fällen den Tod der Tiere durch Herz-Kreislauf-Versagen, Atemstillstand oder durch Blutvergiftung verursachen.
Bei Menschen entsteht nach den Bissen der kleinen Blutsauger häufig ein kleiner, juckender Bluterguss. Es kann auch etwas Blut an der Bissstelle austreten. Die Ursache dafür ist eine Substanz im Mückenspeichel, welche die Blutgerinnung hemmt. Trifft die Mücke beim Zubeißen auf einen Nerv, kann das recht schmerzhaft sein. Heftiges Kratzen kann zudem eine Lymphdrüsenentzündung – Lymphangitis – auslösen.
Bei Allergikern entstehen gelegentlich Überreaktionen wie das Zuschwellen eines Auges oder die Schwellung eines gesamten Körperteils. Das ist ein Fall für den Notarzt. In unseren Breiten gab es aber noch keine Todesfälle durch Reaktionen auf Kriebelmücken Bisse. Wiederholte Stiche können allerdings in Einzelfällen das sogenannte „Black Fly Fever“ verursachen. Die Symptome dieser Erkrankung – auch „Simuliose“ genannt – ähneln denen einer Grippe mit einer weichen Schwellung der Lymphknoten.
Nur weibliche Kriebelmücken stechen. Sie benötigen die Proteine im Blut zur Eiablage. Ihre Larven brauchen sauberes, fließendes Wasser, um sich entwickeln zu können. Deshalb legen die weiblichen Mücken ihre Eier an die Ufer von Bächen und Flüssen mit guter Wasserqualität – manchmal auch direkt auf die Wasseroberfläche. Die Kriebelmückenlarven durchlaufen je nach Unterart sechs bis neun Larvenstadien im Wasser, bis sie sich verpuppen und im Frühling des Folgejahrs aus ihrem Kokon schlüpfen.
Es gibt allerdings auch Kriebelmücken-Arten, die mehrere Generation pro Jahr bilden können. Die Männchen der Simuliidae leben zumeist nur einen Monat lang. Im Gegensatz dazu können Weibchen zwischen drei und sechs Monate alt werden. Beide Geschlechter ernähren sich von Nektar. Blut saugen die kleinen Vampire lediglich vor der Eiablage. Wegen ihrer kurzen Saugrüssel können sie ausschließlich den Nektar von ziemlich offenen Blütenständen erreichen. Deshalb halten sie sich häufig in der Nähe von Weiden und Efeu auf.
Kriebelmücken sind keine guten Flieger und bleiben deshalb zumeist in der Nähe ihrer Brutstätten. Sie können allerdings bis zu 18 Kilometer weit mit dem Wind davongetragen werden. Die gefürchteten Schwärme entstehen, wenn die Mücken bei feuchtwarmem Wetter massenweise gleichzeitig schlüpfen. Sie bilden auch Schwärme zur Paarung im Schatten von Bäumen. Die Weibchen finden ihre Opfer über den Geruch von ausgeatmetem CO2. Zudem halten sie Ausschau nach dunklen, sich bewegenden Objekten.
In Deutschland treten Simuliidae am häufigsten in den Monaten April bis einschließlich Juni auf. Es gibt allerdings einige Unterarten, die den ganzen Sommer über aktiv bleiben. Sie verschwinden erst, wenn die Temperaturen auf etwa 4 °C fallen.
Entgegen anderslautenden Presseberichten sind Kriebelmücken nachweislich nicht dämmerungsaktiv. Sie gehen tagsüber auf die Suche nach ihren Opfern. Ihre Hauptflugzeiten liegen von April bis Juni zwischen 11:00 und 18:00 Uhr, wobei sie die Stunden vor und nach der Mittagszeit bevorzugen.
Durch eine Kalkstickstoff-Düngung der Wiesen soll laut Erfahrungsberichten angeblich das Aufkommen von Kriebelmücken reduziert werden können. Am günstigsten ist es, wenn du dein Pferd erst gar nicht auf Weiden in der Nähe von fließenden Gewässern grasen lässt. Eine Fliegenmaske mit engmaschigem Gewebe an den Ohren verhindert die Bisse von Simulium equidae recht effektiv. Die rotköpfige Kriebelmücke sucht sich aber mit Vorliebe dünnhäutige Bereiche am Unterbauch für ihre Blutmahlzeit aus.
Um das zu verhindern, kannst du dein Pferd mit einer gut sitzenden Ekzemerdecke in heller Farbe schützen. Dabei solltest du ein besonderes Augenmerk auf einen dicht abschließenden Bauchlatz haben. Bei Wallachen besteht das Problem, dass Simuliidae auch die Geschlechtsorgane attackieren. Darum solltest du sicherheitshalber ein hochwertiges Fliegenspray auf alle kurzhaarigen oder haarlosen unbedeckten Hautpartien auftragen. Falls dein Pferd Angst vor dem Fliegenspray hat, werden als Alternative Produkte zum direkten Auftragen auf die Haut angeboten. Weidehütten oder Weidezelte mit Flatterband an den Eingängen bieten zusätzlichen Schutz.
Die meisten Kriebelmücken in Deutschland bevorzugen große Weidetiere als Blut-Lieferanten. Einige Unterarten – wie zum Beispiel Similium erythrocephalus – begnügen sich auch mit Menschen, wenn sie kein passenderes Opfer finden. Da ihr Saugrüssel aber so kurz ist, können sie nicht durch unsere Kleidung stechen.
Ein optimaler Schutz gegen den Stich der Kriebelmücke besteht aus langärmeligen weiten Shirts und locker sitzenden, langen Hosen. Kapuzenshirts haben sich bewährt, um fliegende Blutsauger vom Nackenbereich fernzuhalten. Die Kleidung sollte möglichst helle Farben haben, weil das den meisten Insekten die optische Orientierung erschwert. Übrigens gilt das auch für viele andere beißende und stechende Insekten wie zum Beispiel Pferdebremsen oder Stechmücken.
Unbedeckte Hautpartien können zusätzlich durch Insektenrepellents geschützt werden. Kriebelmücken orientieren sich olfaktorisch allerdings hauptsächlich am Geruch von ausgeatmetem CO2. Weil du nicht einfach aufhören kannst zu atmen, bist du auch trotz qualitativ hochwertigem Insektenschutz weiterhin interessant für die kleinen Blutsauger.
Aber mach dir keine Sorgen: Ich lebe mit meinen Pferden seit mehr als 15 Jahren in einem Flussdelta. Oft sehe ich die winzigen Blutsauger um ihre – von einer Fliegenmaske geschützten – Ohren herumschwirren. Trotzdem hatte ich bisher nicht mehr als drei oder vier Kriebelmücken Bisse zu verzeichnen. Sie scheinen eindeutig die Pferde zu bevorzugen.
Anfang 2024 gab es einige Falschmeldungen in Internet-Publikationen zum Thema „Kriebelmücke“. Trabland kann diese durch wissenschaftliche Studien widerlegen. Unsere Aussagen in dieser Publikation sind alle durch die weiter unten angeführten Quellen belegbar.
Hier die Richtigstellung einiger Fehlinformationen auf einen Blick:
Quellenangaben
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0304401716302667
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0048969724005916?via%3Dihub
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10416928/
https://cornerhousevets.com/equine-advice/ailments-and-diseases/ectoparasites-in-horses/
Maßnahmen zum Erhalt der Pferdegesundheit auf einen Blick