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Pferdeosteopathie: Was ist dran an dem Hype?

von
Susanne Krauzig
zuletzt aktualisiert 15.08.2024
Braunes Pferd mit angewinkeltem Vorderbein bei der Osteopathie
Foto © Samoli shutterstock.com
Inhaltsverzeichnis

Von Susanne Krauzig, Erstveröffentlichung am 23.01.2024 - Dein Pferd hat ein Problem? Und deine Freundin meint, dass Pferdeosteopathie ihrem Pferd in einer ähnlichen Situation geholfen hätte? Vielleicht bist du jetzt unsicher, ob es sich wirklich lohnt, einen Pferdeosteopathen vorbeikommen zu lassen. Kein Wunder!

Wenn du zu dem Thema im Internet recherchierst, findest du viele Artikel, die Osteopathie beim Pferd positiv darstellen. Die meisten stammen von… Pferdeosteopathen oder Institutionen, an denen eine einschlägige Ausbildung angeboten wird. Dann gibt es aber auch sehr kritische Veröffentlichungen, die Pferdeosteopathie als Scharlatanerie abtun. Wie nicht anders zu erwarten, stammen diese von Vertretern der Schulmedizin. Unser Bericht ist so objektiv wie möglich.

Redaktionelle Mitarbeit: Nelly Sophie Lönker, Medizinredaktion

Was genau ist eigentlich Pferdeosteopathie?

Während früher der Tierarzt gerufen wurde, wenn ein Pferd „nicht in Ordnung war“, werden heute immer öfter auch ganzheitliche Behandlungsmethoden wie Physiotherapie, Akupunktur, Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), Homöopathie und/oder Osteopathie beim Pferd eingesetzt. Auch wenn manche der alten Stallmeister das als „neumodischen Kram“ abtun: Pferdeosteopathie ist nichts Neues. Sie wird nur jetzt erst in Deutschland entdeckt. In den USA wird Osteopathie bei Pferden schon seit mehr als 20 Jahren praktiziert.

Manuelle Therapien wie Massagen oder Chiropraktik wurden schon von Hippokrates vor 2.400 Jahren beschrieben. Die Therapieform der „heilenden Hände“ ist älter als unsere Schulmedizin. Um 1850 hatte der amerikanische Arzt A.T. Still erstmalig die Grundlagen der Osteopathie ausformuliert. Der Ausdruck Osteopathie bedeutet auf Deutsch „Erkrankung der Knochen“. Doktor Still war der Ansicht, dass es Wechselwirkungen zwischen Verspannungen, gestörten Organfunktionen und der Psyche gäbe.

In der Praxis stellte er fest, dass die manuelle Therapie von chronisch verkrampften Körperbereichen auch eine Auswirkung auf die Psyche und den Rest des Körpers hatte. Zahlreiche Therapieerfolge bestärkten ihn in dem Gedanken, sein Wissen weiterzugeben. Mittlerweile ist in den USA der Titel „Doktor der Osteopathie“ ebenso angesehen wie der Titel für Allgemeinmediziner „Dr. med.“.

Vor etwa 20 Jahren fing man in den USA an, Osteopathie bei Pferden anzuwenden. Wenn eine Therapie schon seit Jahrzehnten für zweibeinige Sportler eingesetzt wurde, warum sie nicht auch bei vierbeinigen einsetzen? Gegner der Pferdeosteopathie argumentierten, dass ein Mensch gar nicht über ausreichende Kraft verfüge, um bei Pferden Wirbel einzurenken. Aber sie waren schlecht informiert. Pferdeosteopathie hat überhaupt nichts mit „Wirbel einrenken“ zu tun.

Wie funktioniert Pferdeosteopathie?

Es ist schon richtig, dass sich ein Pferdeosteopath viel Zeit für die Untersuchung der Wirbelsäule beim Pferd nimmt. Schließlich treten dort die sogenannten „Spinalnerven“ aus, die mit den verschiedensten Körperpartien verbunden sind. Eine Verhärtung oder ein Zusammenzucken beim Abtasten in einem bestimmten Bereich der Wirbelsäule können einem gut ausgebildeten Pferdeosteopathen wertvolle Hinweise für seine Diagnose liefern.

Pferdeosteopathie gehört zu den sogenannten „ganzheitlichen Therapien“, die nicht einzelne Symptome, sondern den gesamten Organismus im Visier haben. Pferdeosteopathen versuchen, Probleme auf eine einfache Art und Weise zu beheben. Sie entdecken zum Beispiel ein Gelenk, dessen Bewegung eingeschränkt ist. Nicht, weil es ausgerenkt ist. Die Wirbel und Gelenke bei Pferden können sich gar nicht ausrenken. Sie sind von extrem soliden Sehnen und von Muskelgewebe umschlossen, die das verhindern. Ein Pferd mit „ausgerenktem Wirbel“ würde sofort zusammenbrechen.

Aber es kann etwas anderes passieren, das ein Gelenk – ob zwischen den Wirbeln oder an den Beinen – in seiner Beweglichkeit einschränkt. Wenn jemand irgendwo Schmerzen hat, verspannen sich meistens die Muskeln in der betreffenden Region. Sie tun das, um den schmerzenden Bereich zu schützen. Sie umgeben ihn sozusagen mit einer muskulären Kapsel. Oft nimmt der Betreffende dann instinktiv eine Schonhaltung ein, die es ihm ermöglicht, diese unnatürliche Muskelspannung aufrechtzuerhalten.

Es kommt allerdings vor, dass diese Schonhaltung länger aufrechterhalten wird, als es eigentlich nötig wäre. Durch die andauernde Muskelanspannung entsteht nämlich eine schmerzhafte Überlastung der betroffenen Gewebestrukturen. Dieser Schmerz kann unter Umständen dem Körper signalisieren, dass er den schmerzenden Bereich schützen sollte. Also spannt er dort seine Muskeln an – und so weiter. So entsteht ein wahrer Teufelskreis.

Einem Menschen kann man so etwas erklären – aber einem Pferd leider nicht. Ein Pferdeosteopath kann jedoch alte Blockaden lösen und dem Tier zeigen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, die infrage kommende Körperpartie zu bewegen – und dass ihm diese Bewegung vielleicht angenehmer ist als die bisherige. Deshalb dauert eine osteopathische Behandlung beim Pferd ziemlich lange. Pferdeosteopathie erfordert neben einer qualifizierten Ausbildung auch viel Empathie und Einfühlungsvermögen, um zu guten Ergebnissen zu gelangen.

Behandlungsverlauf in der Pferdeosteopathie

Pferdeosteopathie ist keine Symptomtherapie. Einem Pferdeosteopathen geht es nicht darum, offensichtliche Symptome schnell „verschwinden zu lassen“. Für ihn wäre das, wie beim Auto die Warnblinke für den Ölstand einfach kurzzuschließen, damit sie ihn nicht weiter stört. Er versucht eher, einen Eindruck von der Gesamtsituation zu erhalten und das offensichtliche Symptom als Warnsignal zu interpretieren.

Das dauert einige Zeit: Befragung / Anamnese, Sattelcheck, Abtasten, Vorführung oder Vorreiten des Pferdes und dann die erste Behandlung. Bei der Pferdeosteopathie gehen die Therapeuten davon aus, dass Bewegungseinschränkungen Auswirkungen auf die Psyche und auch auf innere Organe haben können. Dasselbe gilt aber auch umgekehrt: Pferdeosteopathen sind davon überzeugt, dass sich psychologische Probleme oder Erkrankungen der inneren Organe durch eine Bewegungseinschränkung bemerkbar machen können.

Dadurch ist ihre Aufgabe ziemlich komplex und eine Erstbehandlung dauert ziemlich lange. In der Pferdeosteopathie werden für die erste Diagnose und Behandlung mindestens 90 Minuten veranschlagt – wobei das von Fall zu Fall unterschiedlich sein kann. Etwaige Folgebehandlungen dauern bei einem guten Pferdeosteopathen ungefähr eine Stunde. Es geht ja nicht nur darum, durch eine manuelle Therapie Blockaden zu lösen. Der vierbeinige Patient soll schließlich auch bereit sein, sich auf eine neue Situation einzulassen und zu kooperieren.

Braunes Pferd bei der Pferdeosteopathie
Pferdeosteopathie ist eine ganzheitliche Therapie
Foto © Samoli shutterstock.com

Pferdeosteopathie Kosten

Für die osteopathische Erstbehandlung eines Pferdes liegen die Preise wegen des erhöhten Zeitaufwands höher als bei den Folgebehandlungen. 2023 lagen die Kosten für den ersten Besuch eines Pferdeosteopathen bei etwa 100.- bis maximal 150.- €. Eventuell notwendige Folgebehandlungen sind deutlich günstiger: Sie überschreiten so gut wie nie die 100-Euro-Marke.

Warum ist Pferdeosteopathie oft die einfachste Lösung?

Es ist eigentlich logisch, dass man bei einem Problem zuerst einmal eine einfache Lösung ausprobiert. Wenn dein Pferd seinen Huf auf deinem Fuß geparkt hat, wirst du dir bestimmt kein Schmerzmittel bringen lassen und seinen Huf auf deinem Fuß stehen lassen. Und es wäre wohl ziemlich absurd, wenn du deine Fußzehen amputieren lassen würdest, weil dein Pferd sich so gemütlich auf deinem Fuß eingeparkt hat.

Wenn ein lauter „Aua-Schrei“ nicht hilft, wird wahrscheinlich ziemlich jeder Reiter sein Pferd veranlassen, den entsprechenden Huf anzuheben. Eine kleine Bewegung und das Problem ist gelöst. Natürlich nicht in jedem Fall. Manchmal brauchen die traumatisierten Fußzehen auch noch eine weitere Behandlung durch einen Arzt. Aber das Naheliegendste ist, zuerst einmal das offensichtliche Problem auf einfache Weise zu lösen.

Genau das ist der Job eines Pferdeosteopathen: Probleme auf eine einfache Weise zu lösen, indem sie bestimmte Bewegungen provozieren. Das hat nichts mit „Knochenbrechern“ oder „Wirbel einrenken“ zu tun. Pferdeosteopathie ist eine sanfte ganzheitliche Therapie. Selbsternannte Koryphäen, die mit dem Gummihammer auf einem Pferd herumklopfen und behaupten, dass sie in einer Viertelstunde das Problem deines Pferdes lösen könnten, sind nichts als Pfuscher.

So findest du einen guten Pferdeosteopathen

Ganz gleich, was die anderen Mitglieder eurer Stallgemeinschaft erzählen: Such dir den passenden Pferdeosteopathen in deiner Region selber aus. Schau dir sein Profil im Internet an und recherchiere zu seinem Ausbildungsgang. Im Gegensatz zu den USA gibt es in Deutschland noch keine einheitlichen Vorschriften, was die Ausbildung zum Pferdeosteopathen angeht. „Pferdeosteopath“ ist in Deutschland keine geschützte Berufsbezeichnung. Wenn es bei euch in der Gegend Fachspezialisten für Pferdeosteopathie mit medizinischer Vorbildung gibt, bist du mit denen am besten beraten.

Fachtierärzte für Pferde oder Pferdephysiotherapeuten, die eine Zusatzausbildung im Bereich der Pferdeosteopathie absolviert haben, sind besonders kompetent. Aber es gibt in Deutschland auch seriöse Institute, die qualifizierte Ausbildungen zum Pferdeosteopathen für Aspiranten ohne medizinische Vorbildung anbieten. Sie vermitteln neben dem speziellen Wissensgebiet der Pferdeosteopathie auch die wichtigsten medizinischen Kenntnisse. Schau dir also das Profil deines Pferdeosteopathen an, bevor du einen Termin mit ihm vereinbarst.

Wann lohnt es sich, Pferdeosteopathie auszuprobieren?

Wenn sich dein Pferd beim Reiten plötzlich nicht mehr biegen oder stellen will, ist es gut möglich, dass dahinter die Blockade eines Gelenks stecken könnte. Auch bei plötzlich auftretenden Verhaltensveränderungen, mangelnder Rittigkeit oder bei der Verweigerung von Aufgaben, die bisher ziemlich gut geklappt hatten, solltest du dir die Frage stellen, ob das Ganze vielleicht an einer Blockade liegen könnte. Eine Blockade im Rücken oder Hals kann sogar Lahmheiten auslösen, weil Schmerzen von einem Körperteil in einen anderen ausstrahlen können.

Viele Pferdeosteopathen sind sogar der Ansicht, dass selbst chronische Erkrankungen wie Hufrollensyndrom oder immer wiederkehrende Sehnen- und Bänderprobleme sowie hormonelle Ungleichgewichte etwas mit Blockaden zu tun haben können. Es lohnt sich also, Osteopathie bei Pferden einmal auszuprobieren. Die Behandlung durch einen qualifizierten Pferdeosteopathen kann in jedem Fall nichts schaden und tut deinem Pferd gut. Du solltest nur darauf achten, dass der Spezialist deiner Wahl ūber ausreichende Fachkenntnisse verfügt.

 

 

Quellenangaben

 

https://www.royal-horse.com/dossier/equine-osteopath-horse/

https://esao.eu/en/animal-osteopathy/equine-osteopathy/

https://www.osteopathiezentrum.de/

https://flexikon.doccheck.com/de/Fachgebiet

https://www.ivca.de

https://www.equineosteopathy.org/

https://animalosteopathyinternational.com/course-information-2/osteopathic-approach-to-the-equine-patient-stage-i/

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