Von Susanne Krauzig, Erstveröffentlichung am 19.08.2024 - Laut Professor Jentzsch von der Hochschule für Wirtschaft und Technik in Dresden belegen alte Museumsfunde, dass früher nicht nur die Hirschlausfliege, sondern auch die Pferdelausfliege überall in Deutschland vorkam. Heute hören wir so gut wie nichts mehr von der Pferdelausfliege. Andererseits gab es erst im Juni und Juli 2024 einen regelrechten Hype um „fliegende Zecken“ – womit die Hirschlausfliege gemeint war. Könnte es vielleicht sein, dass manche Medien etwas einseitig über das Auftreten von Lausfliegen beim Pferd berichten?
Nicht die schlechteste Idee, um sich die Aufmerksamkeit seiner Leserschaft zu sichern: Irgendein pfiffiger Journalist erfand 2024 den Ausdruck „fliegende Zecken“. Das macht wirklich neugierig. Hast du auch schon einmal eine dieser Schlagzeilen angeklickt? Dann weißt du ja, dass „fliegende Zecke“ für die Hirschlausfliege steht.
Aber natürlich gibt es keine Zecken mit Flügeln. Wenn sich die Hirschlausfliege auf einem Pferd oder einem Hirsch niedergelassen hat, wirft sie allerdings ihre Flügel ab und lebt ab diesem Moment nur noch auf diesem einen Wirt. Und mit Blutgefülltem Hinterleib könnte man sie tatsächlich auf den ersten Blick mit einem Holzbock verwechseln. Allerdings haben Lausfliegen – im Gegensatz zu den achtbeinigen Zecken – nur sechs Beine.
Wissenschaftlicher Name: Lipoptena cervi
Familie: Lausfliegen
Gattung: Lipoptena
Art: Hirschlausfliege
Vorkommen: Europa bis Sibirien
Lebensraum: bevorzugt Waldränder
Größe: 3 bis 6 mm
Farbe: dunkelbraun oder rotbraun
Ernährung: beide Geschlechter blutsaugend
Wirte: Hirsche, Rehe, Wildschweine, Dachse, gelegentlich Pferde
Hauptflugzeit: im Herbst
In Europa gibt es mehr als 30 Arten von Lausfliegen. Sie ernähren sich vom Blut verschiedener Säugetiere und Vögel. Zum Glück gehören Menschen nicht zu ihrem Wirtsspektrum: Sie fliegen uns zwar ab und zu an und stechen auch manchmal – aber wir sind sogenannte „Fehlwirte“ für sie. Die Hirschlausfliege kann beispielsweise das Blut eines Menschen saugen, aber sie verträgt es nicht und kann deshalb nicht auf uns überleben.
G. Robert Coatney führte schon 1931 ein Experiment mit Taubenlausfliegen (Pseudolynchia canariensis) zu diesem Thema durch. Er wollte feststellen, ob Lausfliegen Menschen beißen und von ihrem Blut überleben würden. Und er fand tatsächlich zwei Freunde, die bereit waren, den Gastgeber für seine Fliegen zu spielen. Es müssen gute Freunde gewesen sein… Coatney fand bei diesem Experiment heraus, dass die hungrigen Lausfliegen notfalls auch bei Menschen Blut saugten. Aber sie überlebten nicht lange auf dem falschen Wirt.
Hier eine Liste der bekanntesten Lausfliegen in Deutschland:
Durch den Hype mit den fliegenden Zecken wurden wir in letzter Zeit mit ausreichend Information zur Hirschlausfliege versorgt. Aber Pferdehalter sollten sich die Frage stellen, ob das seltsame Insekt an ihrem Pferd wirklich eine Hirschlausfliege ist – oder eher eine Pferdelausfliege. Wie Ausgrabungen belegt haben, gibt es diese beiden blutsaugenden Fliegenarten nämlich schon seit Urzeiten in Europa.
Nur hört man in letzter Zeit nichts mehr von der Pferdelausfliege. Liegt das daran, dass die Berichterstatter zu wenig Fachkenntnisse zum Thema haben? Oder ist die Pferdelausfliege in Deutschland ausgestorben? Hier haben wir dir die Erkennungsmerkmale der Hirschlausfliege zusammengestellt, damit du die beiden Blutsauger voneinander unterscheiden kannst:
Der Körper der Hirschlausfliegen misst ohne Flügel, die den Thorax weit nach hinten überragen, nur 2,4 bis 2,8 Millimeter. Mitsamt Flügeln und Beinen misst diese Lausfliege fünf bis sechs Millimeter. Anders als Pferdelausfliege ist sie eher rotbraun als rostrot. Außerdem gibt es ein entscheidendes Merkmal, das die Hirschlausfliege von der Pferdelausfliege unterscheidet: Sie wirft nach dem Erreichen ihres Wirts die Flügel ab.
Hirschlausfliege und Pferdelausfliege gehören zur selben Familie: den Hippoboscidae. Deshalb haben sie sich einiges gemeinsam – zum Beispiel, dass beide Arten neben anderen Säugetieren auch Pferde parasitieren. Im Gegensatz zur Hirschlausfliege hat die Pferdelausfliege aber gut entwickelte Flügel, die sie nicht abwirft, sobald sie einen passenden Wirt gefunden hat. Pferdelausfliegen kommen fast überall dort vor, wo es große Weidetiere gibt.
Die Pferdelausfliege ist rostbraun und erinnert eher an eine kleine „geflügelte Spinne“ als an die vielzitierte „fliegende Zecke“. Außerdem ist sie deutlich größer als die Hirschlausfliege. Sie misst etwa sechs bis neun Millimeter. Aber auch sie krabbelt hektisch auf ihrem Wirt herum, wenn sie gestört wird, und lässt sich nicht vertreiben. Sie mag zwar kurz auffliegen, kommt aber sofort zu ihrem Opfer zurück – außer, sie trifft unterwegs auf einen anderen, geeigneten Wirt.
Unterschied zwischen Pferdelausfliege und Hirschlausfliege auf einen Blick:
Bei unseren Wanderritten in Griechenland passierte es manchmal, dass die Pferde von ekligen spinnenartigen Fliegen befallen wurden. Sie saßen meistens unter dem Schweif, rund um den After. Sobald die Pferde anfingen zu schwitzen, krabbelten sie auf die Innenseite der Oberschenkel – wo sie uns dann auffielen. Wir glaubten damals, es wären Hirschlausfliegen.
Das Schlimmste an ihnen war, dass sie sich nicht vertreiben ließen. Fliegenspray war ihnen völlig egal und selbst das Abspritzen mit einem scharfen Wasserstrahl konnte sie nicht daran hindern, nach einem kurzen Rundflug sofort wieder zu ihrem Opfer zurückzukehren. Wir konnten sie nicht einmal zerquetschen, wenn wir tatsächlich einmal eines dieser Monster eingefangen hatten.
Sie hatten einen so harten Chitinpanzer, dass sie anscheinend unzerstörbar waren. Außerdem wurden sie sofort hyperaktiv, sobald man sie aus ihrer Komfortzone herausholte. Sie krabbelten mit einer unglaublichen Geschwindigkeit über die Pferdehaut – und wenn wir sie zu sehr ärgerten, drehten sie einfach eine kurze Runde in der Luft. Wenn wir Pech hatten, landeten sie dann auf uns und krabbelten sofort in unsere Haare. Ein echter Alptraum!
Hirschlausfliegen sind häufig mit einer bestimmten Bakterienart (Bartonella schoenbuchensis) infiziert. Der Hirschlausfliegen Stich kann zur Folge haben, dass sich die betroffenen Tiere mit dem Erreger infizieren. Allerdings verursacht Bartonella schoenbuchensis bei Tieren lediglich eine Entzündung rund um den Einstich.
Es ist noch nicht ausreichend erforscht, ob ein Hirschlausfliegen Biss auch Menschen mit dem Bakterium infizieren kann. Das gilt umso mehr für die scheinbar verschollene Pferdelausfliege. In Einzelfällen wurden nach einem Hirschlausfliegen Stich bei Menschen unspezifische Beschwerden und/oder eine Hautentzündung an der Einstichstelle festgestellt, die sich aber auch auf allergische Reaktionen zurückfuhren lassen könnten.
Wenn unsere Pferde diese vermeintlichen Hirschlausfliegen – die ja eigentlich Pferdelausfliegen waren – eingefangen hatten, waren wir ziemlich verzweifelt. Die Mistviecher ließen sich ja weder zerstören noch vertreiben. Noch dazu saßen sie in einer Körperregion mit besonders empfindlicher Haut. Da konnten wir nicht einfach irgendwelche Chemie hin sprayen – mal abgesehen davon, was die Pferde dazu gesagt hätten…
Irgendwann kam mir in meiner Verzweiflung die Idee, dass wir diesen Blutsaugern vielleicht den Spaß verderben könnten, wenn wir die Regionen unter dem Schweif und an der Innenseite der Oberschenkel ausgiebig säubern würden. Vielleicht gäbe es dann weniger Gerüche / Signalstoffe, die diese „Hirschlausfliegen“ anlocken würden.
Allerdings gab es vor 30 Jahren in Griechenland noch kein Pferdeshampoo. Also benutzte ich stattdessen kurzerhand verdünntes Geschirrspülmittel, um die von den Lausfliegen bevorzugten Körperregionen gründlich zu säubern. Seifenlauge aus Kernseife wäre wahrscheinlich haut-schonender gewesen, aber ich war im Panikmodus.
Ein Teil dieser penetranten Pferdelausfliegen saß bei der ganzen Aktion immer noch rund um den After meines Pferdes. Die Mistviecher ließen sich anscheinend nicht soweit von meinem Schwamm stören, dass sie ihren Lieblings-Standort gewechselt hätten. Aber das war ihr Pech. Als ich nach dem Einseifen mit einem Eimer voll klarem Wasser kam, um klar zu spülen, waren sie alle tot.
Keine Ahnung, ob das auch bei Hirschlausfliegen funktioniert. Unsere „geflügelten Spinnen“ hatten wir ja im Nachhinein als Pferdelausfliegen identifiziert. Aber vielleicht wirkt Seifenlauge ja auf alle Lausfliegen tödlich? Probier es doch einfach mal aus, wenn dein Pferd Hirschlausfliegen oder sonstige Lausfliegen eingefangen hat. Nur vergiss nicht, anschließend mit viel klarem Wasser nachzuspülen, damit sich die Haut in den betroffenen Regionen schnell wieder erholen kann.
2021 wurde an der Hochschule für Wirtschaft und Technik in Dresden ein Studenten-Team unter der Leitung von Prof. Dr. Matthias Jentzsch aufgestellt. Es ging darum, verschiedene Lausfliegen-Arten zu untersuchen und ihre Verbreitungsgebiete zu bestimmen. Außerdem untersuchte eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Markus Freick, inwieweit die einzelnen Lausfliegen-Arten ein Potenzial als Krankheitserreger haben könnten.
Nachdem die Pferdelausfliege – wie schon ihr Name zu erkennen gibt – hauptsächlich Pferde befällt, setzten sie damals auf die Mithilfe von Reitern. Professor Jentzsch veröffentlichte dazu eine Presseerklärung online. Er bat Pferdehalter, die auf ihren Tieren Pferdelausfliegen entdeckt hatten, um Kontaktaufnahme mit seinem Team. Allerdings dürften seine Bemühungen nicht allzu viel eingebracht haben, weil die meisten noch nie von einer Pferdelausfliege gehört haben.
Falls du Interesse an dem Projekt hast, findest du hier den Pressetext und die Kontaktdaten:
Quellenangaben
https://de.wikipedia.org/wiki/Hirschlausfliege
https://de.wikipedia.org/wiki/Lausfliegen
https://de.wikipedia.org/wiki/Pferdelausfliege
Maßnahmen zum Erhalt der Pferdegesundheit auf einen Blick