Dein Wallach ist in der Herde unverträglich und hat Probleme, dich als „ranghöheres Herdenmitglied“ zu akzeptieren? Zeigt er ein auffälliges Interesse an rossigen Stuten und/oder bespringt andere Pferde – vielleicht sogar gleich welchen Geschlechts? Das könnte darauf hindeuten, dass dein Pferd eigentlich ein Klopphengst ist. Falls du dein Pferd direkt von einem seriösen Züchter gekauft hast, ist das eher unwahrscheinlich. Aber bei männlichen Pferden, die durch mehrere Hände gegangen sind, solltest du diese Möglichkeit nicht völlig ausschließen. Manche Klopphengste werden aus finanziellen Gründen nur unvollständig kastriert.
Redaktionelle Mitarbeit: Nelly Sophie Lönker, Medizinredaktion
Diese Seite soll Pferdehalterinnen und Pferdehaltern lediglich Informationen über Krankheiten und Symptome beim Pferd vermitteln. Die Informationen dürfen weder die Beratung oder Behandlung durch einen Tierarzt ersetzen noch dazu verwendet werden, eigenständig medizinische Behandlungen vorzunehmen. Sie dienen nicht zur Selbstdiagnose und/oder Selbstbehandlung und ersetzt keinesfalls die Diagnose durch einen Tierarzt.
„Klopphengst“ steht im reiterlichen Fachjargon für ein männliches Pferd mit Kryptorchismus. Der medizinische Begriff „Kryptorchismus“ ist gleichbedeutend mit dem volkstümlichen Begriff „Hodenhochstand“. Fehlplatzierte Hoden können chirurgisch entfernt werden.
Während der Trächtigkeit einer Stute entwickeln sich die Hoden des Fötus in seinem Bauchraum. Im letzten Trächtigkeitsmonat ist es möglich, dass diese in den Hodensack „absteigen“. Manche Hengstfohlen haben deshalb schon nach ihrer Geburt ertastbare Hoden. Bei vielen anderen Fohlen wandern die Hoden im Laufe des ersten Lebensmonats nach unten. Bei einigen Hengstfohlen kann der Hodenabstieg aber auch wesentlich später erfolgen.
Die meisten Tierärzte vertreten die Auffassung, dass dieser Prozess spätestens mit 18 Monaten abgeschlossen sein sollte. In einer Studie an Islandpferden wurde allerdings festgestellt, dass bei zahlreichen jungen Isländern der Hodenabstieg auch noch bis zum Alter von drei Jahren stattfinden kann. Das mag daran liegen, dass Robustpferde und Ponys zu den Spätentwicklern gehören.
Bei etwa 60 % aller Fälle von Kryptorchismus ist der linke Hoden betroffen. Ein beidseitiger Hodenhochstand kommt eher selten vor – bei höchstens 10 % aller Kryptorchiden. Noch seltener passiert es, dass ein Pferd von Natur aus nur einen einzigen Hoden besitzt. In solchen Fällen sprechen Veterinärmediziner von „Monorchismus“. Wenn ein Hoden unter der Haut liegt und sich nicht in den Hodensack verschieben lässt, handelt es sich ebenfalls nicht um Kryptorchismus. Tierärzte bezeichnen das als „Ektopie“.
Wenn ein ausgewachsener Wallach „hengstige“ Verhaltensweisen zeigt und eventuell auch vom Körperbau her wie ein Hengst wirkt, solltest du deinen Tierarzt überprüfen lassen, ob er ein Klopphengst ist. Erwachsene männliche Pferde mit Hengstmanieren, die keine sichtbaren Hoden besitzen, sind eventuell:
Pferde mit Hengstmanieren sind schwieriger im Umgang als „normale“ Wallache. Aber es gibt auch noch weitere Gründe, die dafür sprechen, ein Pferd mit Hodenhochstand zu kastrieren. Klopphengste sind oft aggressiver als normal entwickelte Hengste. Das liegt unter Umständen daran, dass die in der Bauchhöhle oder im Leistenkanal festsitzenden Hoden zur Entartung neigen.
Das Risiko einer Tumorbildung ist bei Klopphengsten mit Hoden im Bauchraum wesentlich höher als bei anderen Pferden. An Hoden im Leistenkanal entwickeln sich häufig schmerzhafte Zysten. Je nach Lage im Leistenkanal kann es auch vorkommen, dass der Hoden bei jedem Vorschwingen des entsprechenden Beines zusammengedrückt wird – was ebenfalls sehr schmerzhaft ist.
Ein gut erzogenes Pferd sollte sich von seiner Bezugsperson überall anfassen lassen. Falls dein „vermutlicher Klopphengst“ es noch nicht zulässt, dass du seine Geschlechtsteile berührst, kannst du ihm das in kürzester Zeit beim Putzen beibringen. Meiner Erfahrung nach funktioniert es am besten, wenn du dich während des vertrauten Putzrituals mit einer weichen Bürste vom Unterbauch her immer näher an die kritische Zone heranarbeitest.
Dein Pferd hat auf diese Weise das „Programm Putzen“ im Kopf, fühlt sich sicher und wird die Berührung mit der Bürste schnell akzeptieren. Anschließend wiederholst du das Putzen vom Rücken bis zum Bauch und weiter zu seinen Geschlechtsteilen. Diesmal verwendest du aber anstelle der Bürste deine Hand. Bewege sie mit leichtem Druck im selben Rhythmus wie du die Bürste beim Putzen bewegst.
Wenn du das ein paar Mal wiederholt hast, solltest du deinem Pferd nach ein paar vorbereitenden Strichen über den Bauch problemlos die Geschlechtsteile abtasten können. Mit bloßem Auge ist es nicht immer leicht zu erkennen, ob ein Jungpferd zwei oder nur einen Hoden im Hodensack hat. Beim Abtasten spürst du es aber sofort. Falls dir ein ausgewachsenes Pferd als Wallach verkauft wurde, kannst du nicht selbst feststellen, ob es in Wirklichkeit ein Klopphengst ist. Das kann nur der Tierarzt.
Wenn bei einem Klopphengst der Hoden im Leistenkanal feststeckt, kann ihn der Tierarzt oft ganz oder teilweise im Leistenspalt ertasten. Unter Umständen ist er auch bei einer rektalen Untersuchung lokalisierbar. Liegt der Hoden im Bauchraum, kann er in seltenen Fällen bei einer Ultraschalluntersuchung gefunden werden. Falls der Verdacht besteht, dass dein Pferd ein unvollständig kastrierter Klopphengst ist, kann der Tierarzt das durch einen Hormon-Stimulationstest überprüfen.
Dazu wird zuerst der Testosteronwert im Blut bestimmt. Anschließend injiziert der Tierarzt hCG (humanes Choriongonadotropin). Nach etwa einer Stunde wird der Testosteronwert abermals gemessen. Darauf folgt zumeist eine weitere Blutwertbestimmung eine Stunde nach der vorangegangenen Messung. Innerhalb dieser beiden Stunden erhöht sich der Testosteronspiegel, wenn ein Pferd einen „versteckten Hoden“ im Bauchraum hat. Bei vollständig kastrierten Pferden steigt der Testosteronspiegel nach einer Stimulation mit hCG nicht an.
Leider gibt es keine konservative Therapie für Klopphengste. Selbst wenn sich bei manchen Pferden die Hengstmanieren durch Zufütterung von Mönchspfeffer etwas abschwächen lassen, besteht immer die Möglichkeit, dass versteckte Hoden entarten. Hinzu kommt, dass zahlreiche Klopphengste aufgrund der Position ihres „inneren Hodens“ unter Schmerzen leiden. Die einzige wirkungsvolle Therapie für Klopphengste ist die chirurgische Entfernung des fehlplatzierten Hodens.
Die übliche Vorgehensweise bei einem chirurgischen Eingriff zur Kastration von Klopphengsten ist eine Operation unter Vollnarkose. Zur Entfernung von Hoden im Leistenkanal wird ein Zugang über die Leiste eröffnet. Hoden im Bauchraum werden, je nach Position, entweder durch einen Zugang über die Leiste oder über die Flanke entfernt. In einigen Pferdekliniken ist die Kastration auch durch einen minimalinvasiven Eingriff (laparoskopisch) möglich.
Je nach Operationsmethode fallen bei der Kastration eines Kryptorchiden unterschiedlich hohe Kosten an. Du solltest aber mit mindestens 1.500 € Operationskosten rechnen. Immerhin müssen bei einer Eröffnung der Bauchhöhle der Anästhesist, der Chirurg und zahlreiche kostspielige Medikamente bezahlt werden. Nach einer OP unter Vollnarkose behalten die meisten Pferdekliniken ihre Patienten noch für ein, zwei Tage zur Beobachtung vor Ort. Dafür gibt es feststehende Tagessätze.
Am besten, du fragst wegen der Kosten für die Kastration von Klopphengsten bei verschiedenen Tierkliniken nach. Laparoskopien können – je nach Lage des Hodens – auch am stehenden Pferd unter Sedierung vorgenommen werden. Wenn du die Möglichkeit dazu hast, solltest du diese minimalinvasive Operationsmethode wählen. Es lohnt sich übrigens nicht, nur wegen der Kastration eine Pferde-OP-Versicherung abzuschließen. Bei Pferdeversicherungen ist die Kostenübernahme für eine Klopphengst Kastration ausgeschlossen.
Der Testosteronspiegel von Pferden sinkt nach einer Kastration innerhalb kurzer Zeit ab. Trotzdem bleiben die erlernten Verhaltensmuster noch relativ lange bestehen. Bei Pferden im Alter von bis zu drei Jahren kann man zumeist innerhalb von sechs bis acht Wochen eine deutliche Verhaltensänderung feststellen. Bei älteren Pferden und Tieren, die bereits gedeckt hatten, können Hengstmanieren bis zu sechs Monate lang bestehen bleiben. Bei manchen spät „gelegten“ Wallachen verschwinden sie niemals vollständig.
Charakter und der Ausbildungsstand des Pferdes spielen dabei eine große Rolle. Auch wenn Hengste Testosteron-bedingt ein höheres Aggressionspotential besitzen als Wallache, können sie durchaus gut erzogen sein und auf die feinsten Signale ihrer menschlichen Bezugsperson reagieren. Du solltest also daran arbeiten, deine Rolle als „verständnisvoller Chef“ zu perfektionieren, wenn dein Pferd nach der Kastration weiterhin Ranganspruch anmeldet.
Ein im Körperinneren liegender Hoden kann so gut wie nie befruchtungsfähiges Sperma produzieren, weil es dort zu warm ist. Ein unvollständig kastrierter Kryptorchide ist also fast immer zeugungsunfähig. Anders sieht es mit Pferden aus, die noch einen Hoden im Hodensack haben. Sie produzieren befruchtungsfähige Samenflüssigkeit. Aber anstelle der 60 bis 100 Milliliter Sperma, die ein normaler Hengst beim Deckakt ejakuliert, bilden sie nur halb so viel.
Ein nicht kastrierter Klopphengst ist also zeugungsfähig. Trotzdem sollten Pferde mit Hodenhochstand nicht zur Zucht eingesetzt werden. Es bestehen etwa 50 % Chancen, dass ein Hengstfohlen den Kryptorchismus von seinem Vater erbt. Zuchtverbände lassen aus diesem Grund keine Pferde mit Hodenhochstand zur Körung zu. Kein Wunder: Es macht schließlich keinen Sinn, noch mehr Pferde zu produzieren, deren Kastration unverhältnismäßig teuer ist.
Klopphengste sollten unbedingt kastriert werden, da Hoden im Körperinneren leicht entarten. Nach der Kastration verringern sich die Hengstmanieren. Erlerntes Verhalten muss aber abtrainiert werden – es verschwindet nicht nach der OP. Kryptorchiden sollten nicht zur Zucht eingesetzt werden, weil Hodenhochstand vererbbar ist.
Quellenangaben
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7766679/
https://www.acvs.org/large-animal/cryptorchidism
https://cvm.msu.edu/vetschool-tails/msu-equine-surgeons-on-the-hunt
https://www.pferde-klinik.de/download/BM_News_OP-Versicherung_2.pdf
Hier findest du gut strukturierte Beschreibungen sämtlicher wichtiger Pferdekrankheiten – für medizinische Laien verständlich erklärt.
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