Von Christina Meier, veröffentlicht am 22.08.2024 - Nicht immer ist das, was Reiter und Pferdebesitzer sich wünschen, auch das Beste für das Pferd. So zeigt auch die Geschichte von Totilas die Schattenseiten von Ruhm und Erfolg auf, die du sonst vielleicht eher selten zu sehen bekommst, da vieles hinter den Kulissen stattfindet. Denn auch in der Pferde- und Reiterwelt geht es viel zu oft vorrangig um das liebe Geld, wie du an der Lebensgeschichte des einstigen Wunderhengstes und seinem traurigen Ende erkennen kannst.
Der junge Hengst Totilas verbrachte die erste Zeit bei seinen Züchtern Jan K. und Anna Schuil (geb. Visser) im niederländischen Broeksterwoude, die sein enormes Potential im Dressurviereck recht früh bemerkten. Mit 5 Jahren begann dann Totilas Karriere als Dressurpferd. Totilas Reiterin und Ausbilderin war zu dieser Zeit die niederländische Jiska van den Akker. Bereits bei den Weltmeisterschaften im August 2005 in der Reiterstadt Verden erreichte Totilas bei den fünfjährigen Dressurpferden unter Jiska van den Akker den vierten Platz.
Schon damals betitelten zahlreiche Sportjournalisten das noch junge Dressurpferd Totilas als besonders erfolgversprechendes Nachwuchstalent. Im Jahr 2006 kam es zu einem ersten Reiterwechsel für Totilas: Fortan sollte der niederländische Dressurreiter Edward Gal Totilas Reiter sein. Totilas, der damals noch als „Moorlands Totilas“ bekannt war, da er sich zu dieser Zeit im Besitz von Moorlands Stables befand, wurde nun durch seinen neuen Reiter Edward Gal auf internationale Dressurturniere vorbereitet. Dies war der eigentliche Beginn der Karriere Totilas als Dressurpferd auf internationaler Ebene.
Totilas Spitzname: Toto oder „Moorlands Totilas“
Totilas Rasse: Niederländisches Warmblut (Koninklijk Warmbloed Paard Nederland – kurz KWPN)
Geboren: 23.05.2000 in den Niederlanden (Broeksterwoude)
Gestorben: 14.12.2020 (nach einer Notoperation)
Vater: Gribaldi (Trakehner)
Mutter: Luminka (KWPN)
Land: Niederlande
Farbe: Rappe
Stockmaß: 170 cm
Totilas Züchter: Jan und Anna Schuil
spätere Besitzer: Paul Schockemöhle, Ann-Kathrin Linsenhoff
Totilas Reiter: anfangs Jiska van den Akker, später überwiegend Edward Gal, ab 2010 bis 2015 Alexander Rath
Die Karriere Totilas schien die nächsten Jahre kein Ende zu nehmen. Denn es folgten der Prix St. Georges beim CHIO Aachen und ab 2009 mehrere Weltrekorde und etliche Erfolge bei den Europameisterschaften. Ab 2010 wurde der Hengst Totilas dann parallel zu seiner Karriere als Dressurpferd bereits als Deckhengst eingesetzt. Weiter ging es mit einem Sieg des Weltcup-Finales und mehrfach Gold bei den Weltmeisterschaften in den USA. Nach dem Verkauf an Paul Schockemöhle fand mit dem Besitzerwechsel auch ein Reiterwechsel statt. Das war der Anfang vom Karriereende des talentierten Pferdes.
Zwar gewann das Pferd unter seinem neuen Reiter Alexander Rath den Grand Prix und die Musikkür bei den Deutschen Meisterschaften in Balve. Einige Zeit später erkrankte Rath jedoch am Pfeifferschen Drüsenfieber und konnte etliche Turniere – darunter die Olympischen Spiele in London – nicht antreten. Dennoch gewannen Rath und Hengst Totilas noch einmal den Grand Prix. Doch nach mehreren Verletzungen entwickelte der Hengst Totilas ein Ödem im Krongelenk. Dieses setzte seiner Karriere dann endgültig ein Ende.
Tatsächlich war Isabell Werth wohl als Edward Gals Nachfolgerin und Reiterin für Totilas vorgesehen, nachdem Totilas von Paul Schockemöhle gekauft und nach Deutschland geholt worden war. Paul Schockemöhle suchte einen Reiter, der etliche Erfolge im Dressurreiten vorzuweisen hatte und sprach daher zuerst Isabelle Werth an, die schon damals als Deutschlands erfolgreichste und erfahrenste Dressurreiterin galt.
Zu dieser Zeit ritt Isabell Werth neben ihren eigenen Pferden die Pferde ihrer Mäzenin Madeleine Winter-Schulze, zu welcher sie darüber hinaus ein enges, freundschaftliches Verhältnis hegte.
Isabell Werth dachte wohl einige Zeit über das Angebot Schockemöhles nach. Nach einem ausführlichen Gespräch mit Madeleine Winter-Schulze entschied sie sich jedoch dagegen, Totilas neue Reiterin zu werden. Sie wollte auch weiterhin nur Pferde von Madeleine Winter-Schulze reiten, die sie seit Jahren gefördert und unterstützt hatte, wo sie nur konnte. So kam es, dass stattdessen Matthias Alexander Rath der neue Reiter Totilas wurde, denn Isabell Werth waren Loyalität und Freundschaft wichtiger als Ruhm und Geld.
Der Preis für das Pferd Totilas wurde seinerzeit auf zehn Millionen geschätzt. Ob diese unvorstellbare Summe tatsächlich von Paul Schockemöhle bezahlt wurde, ist bis heute von Schockemöhle weder bestätigt noch dementiert worden. Feststeht, dass das Dressurpferd Totilas wohl das teuerste Pferd der Welt war und immer noch ist. Auch Schockemöhle selbst gab damals zu, dass Totilas seines Wissens nach das teuerste, aber auch das am meisten begeisternde Pferd bei den olympischen Reiterspielen war.
Je nach Abstammung, Rasse und Ausbildungsstand kosten Dressurpferde schon einige tausend Euro. Doch für mehrere Millionen wird selbst ein Star unter den Dressurpferden eigentlich nicht verkauft. Warum also war Totilas Preis so hoch? Schockemöhle und Mitbesitzerin Ann-Kathrin Linsenhoff sahen in dem Hengst Totilas den künftigen Olympiasieger, der in den Medien bereits als Megastar des deutschen Reiterhimmels gefeiert wurde. Doch leider konnte Totilas Reiter Matthias Alexander Rath niemals an die Erfolge seines Vorgängers Edward Gals anknüpfen.
Nach dem Ende von Totilas Karriere wurde Totilas als Hengst für die Zucht eingesetzt. Das heißt nicht, dass er in trauter Zweisamkeit mit einer Stute auf der Koppel seinen Hengstgelüsten nachgehen durfte. Zu groß wäre hier die Verletzungsgefahr für den unbezahlbaren Hengst gewesen. Denn bei Pferden kann es mitunter recht ruppig zugehen. Stattdessen findet die Samenentnahme auf einer eingetragenen Besamungsstation statt. Anschließend wird das Sperma meist tiefgefroren. So kann man selbst nach dem Tod eines Hengstes noch Nachfahren „zeugen“.
Auch Totilas Sperma wurde tiefgefroren. Wer mit diesem Nachkommen zeugen wollte, musste bis vor wenigen Jahren zweimal 4.000 Euro zahlen: einmal beim Kauf des gefrorenen Spermas und dann noch einmal, wenn die Befruchtung der Stute erfolgreich war. Doch nach und nach wurde die Decktaxe gesenkt. Als der Hengst Totilas 16 Jahr alt alt war, gab Schockemöhle bekannt, dass das Gefriersperma nun für 2.600 Euro zu erwerben sei, was aber immer noch ein stolzer Preis für eine tiefgefrorene Portion Pferdesamen ist.
Am 14. Dezember des Jahres 2020 erkrankte der Hengst an einer Kolik, die eine Operation vonnöten machte. Totilas Todesursache war also eine Kolik. Und eine Kolik geht, wie du weißt, mit erheblichen Schmerzen einher. Obwohl der Hengst sich nach der OP wieder kurz auf den Beinen befand, verstarb er schließlich unerwartet noch am gleichen Abend. Überall machte es rasch die Runde: Das Wunderpferd Totilas ist tot!
Die Symptome einer Kolik kennst du bestimmt:
Leidet dein Pferd an einer Kolik, dann
• frisst und äppelt es nicht
• versucht es, sich gegen den Bauch zu treten
• wälzt es sich häufig und ist unruhig oder auch apathisch
• verhält es sich auffällig und ungewöhnlich
• schwitzt es und zeigt Anzeichen von Kreislauf- und Atemproblemen
• hat es entweder auffällig starke oder zu geringe Darmgeräusche
Beim leisteten Verdacht auf eine Kolik solltest du sofort den Tierarzt rufen!
An diesem Pferd siehst du, wie unsensibel es im Reitsport zugehen kann. Es liegt natürlich immer am Besitzer und Reiter selbst, ob er seinem Pferd mehr oder weniger Stress zumutet. Aufgrund von Totilas Abstammung und der Einschätzungen mehrerer Fachleute – den Medienrummel nicht zu vergessen – war die Erwartungshaltung an das Pferd Totilas sehr groß. Ob er wohl schöne Stunden auf der Koppel zubringen und auch einmal nur Pferd sein durfte? Ich weiß es nicht, bezweifle es aber.
Vor allem an der hohen Decktaxe und dem traurigen Ende Totilas siehst du, dass nicht jeder das Pferd als eine liebenswerte Persönlichkeit ansieht, sondern viel zu oft als Mittel zum Zweck. Selbst der Deckakt wird ihm nicht gegönnt – er wurde benutzt, bis buchstäblich auch der letzte Tropfen Leben aus ihm herausgequetscht wurde. Doch – wie gesagt – entscheidet jeder selbst, was für ein Verhältnis er zu seinem Pferd aufbauen möchte. Turniere reiten und gern siegen wollen, ist okay – doch nur, wenn dabei das Wohl des Pferdes stets im Vordergrund steht.
Der Hengst Totilas zeugte mit Hilfe der Besamungsstationen zahlreiche Nachkommen. Hier wurde und wird also nichts dem Zufall oder Mutter Natur überlassen. Ziel ist es, Pferde zu erhalten, die die positiven Eigenschaften beider Eltern in sich vereinen. Daraus entwickelt sich dann ein richtiger Stammbaum. Daher kannst du – vor allem bei den berühmten Pferden – deren Abstammung erkennen und meist bis zu mehreren Generationen zurückverfolgen. Auch Totilas Abstammung und die Linien seiner Nachkommen werden auf diese Weise festgehalten.
Aufgrund seiner vielen Erfolge erhofften sich wohl viele Züchter, mit Totilas Nachkommen ebenfalls ein Wunderpferd zu erhalten und zahlten immense Summen für sein Gefrier-Sperma und die Befruchtung ihrer Stuten. Tatsächlich waren und sind einige seiner Nachkommen auf Turnieren zu sehen. Darunter sind so bekannte Pferde wie
• Weihe Glück
• Tausendschön
• Titan
• Tolegro
• Totillha (Totila)
• Toliva und viele mehr
Durch seine Nachkommen ist das Pferd Totilas mehr oder weniger unsterblich geworden. Doch auch die vielen Menschen, die ihn liebten, werden ihn wohl stets in Erinnerung behalten.
Totilas
• wurde 20 Jahre alt
• wurde aufgrund seiner Erfolge als Wunderhengst bezeichnet
• ist bis heute das teuerste Dressurpferd der Welt
• war ein Publikumsmagnet
• starb im Dezember 2020 qualvoll an den Folgen einer Kolik
Quellen:
https://web.archive.org/web/20080505003743/http://www.edwardgal.nl/?p=51&id=14&l=EN
https://www.uytert.nl/de/totilas
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Totilas
https://www.ehorses.de/magazin/deckhengst-totilas-im-portrait/
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