Es gibt wohl kaum eine andere Sportart, die bei Menschen so intensive Gefühle auslöst wie das Reiten. Wenn ich als Kind aus dem Autofenster ein Pferd entdeckte, packte mich jedes mal die Sehnsucht. Es war fast, wie verliebt zu sein. Natürlich kann ich das erst jetzt als Erwachsene beurteilen. Damals war ich noch zu jung, um zu wissen, was "verliebt sein" wirklich bedeutet. Das einzige, was mich zu dieser Zeit interessierte, waren Pferde und Reiten. Ich wollte ein Pferd als Freund, keinen Jungen. Also fing ich an, Reiten zu lernen - und habe nie mehr damit aufgehört. Hier findest du viele Infos zum Thema "Reiten" aus mehr als 50 Jahren Pferdeerfahrung.
Es ist schon auffällig: Nach Angaben der FN (dem Dachverband für Pferdesport) geben 3,89 Millionen Menschen in Deutschland an, Reiter zu sein. Etwa 900.000 haben sogar ein eigenes Pferd. Und 78 % aller reitenden Pferdefreunde in Deutschland sind weiblich. Woher kommt wohl dieses Phänomen der deutschen Pferdemädchen?
In vielen anderen Ländern ist das Geschlechterverhältnis beim Reiten ausgewogener. Bei der Auswertung einer Umfrage mit 903 Teilnehmern gingen Studenten der Fresenius Hochschule dem Thema "Frauen und Reiten" auf den Grund. Dabei stellte sich heraus, dass
• die meisten reitenden Frauen eine stärkere gefühlsmäßige Bindung zu Pferden eingehen als reitende Männer.
• die meisten weiblichen Pferdehalter eher auf das Reiten verzichten würden, als ihr Pferd zu verkaufen, wenn es chronisch krank wäre. Männliche Reiter waren da zumeist anderer Meinung.
• die meisten Reiterinnen der Ansicht waren, dass ein Pferd mitbekommt, wie es ihnen geht.
Die Studenten der Fresenius Hochschule kamen bei der Auswertung ihrer Daten zu dem Schluss, dass die meisten Frauen hauptsächlich aus emotionalen Gründen reiten. Männliche Reiter hatten eher mehr Interesse am sportlichen Aspekt der Reiterei. Das war aber nicht immer so.
Wer hier eine langweilige Aufzählung von geschichtlichen Daten und archäologischen Funden erwartet, hat sich getäuscht. Wenn du an solchen Details interessiert bist, kannst du sie problemlos bei Wikipedia unter dem Stichwort "Reiten" nachlesen. Hier findest du nur eine Zusammenfassung davon, wie aus den ursprünglichen Wildpferden Reitpferde wurden und wie sich die Reiterei im Laufe der Zeit verändert hat.
Mir sind bei diesem Artikel die reiterlichen Aspekte wichtiger als eine lückenlose Aufzählung historischer Fakten. Lass uns in grauer Urzeit anfangen: Mehrere Höhlenmalereien belegen, dass unsere Vorfahren Wildpferde erst einmal als Fleischlieferanten betrachteten, bevor sie auf die Idee kamen, Pferde zu reiten. Zuerst wurden die Tiere in freier Wildbahn gejagt. Spätestens im Jahr 3.000 vor Chr. wurden sie aber auch teilweise in Gehegen gehalten - also domestiziert.
Es gibt sogar einige wissenschaftliche Belege dafür, dass in den Jahren zwischen 3.000 und 2.800 v. Chr. bereits Pferde zum Reiten genutzt wurden. Die damaligen Menschen hatten festgestellt, dass die starken Reittiere ihr Leben ungeheuer erleichtern konnten. Wer ein zahmes Pferd besaß und etwas vom Reiten verstand, konnte Beutetiere jagen, die ansonsten den Jägern in Windeseile davonliefen.
Findige Köpfe hatten später wohl die Eingebung, dass man, anstelle Pferde zu reiten, auch eine Art Schlitten an ihnen befestigen konnte, um Lasten zu transportieren. Die ersten Geschirre wurden erfunden und bald kamen auch einfache zweirädrige Karren hinzu. Trotz dieser Fortschritte blieb es aber lange Zeit beim Reiten ohne Sattel.
Selbst die alten Griechen ritten etwa 400 v. Chr. noch auf einem Lammfell, das sie mit der Lederseite nach oben auf ihren Pferden befestigten. Reiten ohne Sattel ist nämlich auf längeren Strecken für Pferd und Reiter unbequem, weil die Sitzbeinhöcker des Reiters dabei einen punktförmigen Druck auf den Pferderücken ausüben. Außerdem sitzt der Reiter so nah am Pferd, dass er sich manchmal „einen Wolf reitet“ – also Hautreizungen an empfindlichen Körperteilen bekommt.
Viele verschiedene Pferde reiten ohne Sattel ist die beste Methode, um deinen Reitersitz zu perfektionieren. Die meisten Sitzfehler beim Reiten haben mit schlechten Sätteln und falsch eingestellten Steigbügeln zu tun. Versuch es einfach mal „ohne“.
Anfangs kannst du deinem Pferd zur Sicherheit einen Voltigiergurt mit einer weichen Unterlage anlegen. Falls du dann einmal ins Rutschen kommen solltest, findest du Halt an den Griffen des Gurts. Du kannst es aber auch ähnlich wie die alten Griechen machen und benutzt einfach ein Reitpad ohne Steigbügel.
Übrigens stammen nicht nur die Prototypen der Fellsättel aus Griechenland. Auch die ersten Schriften über Pferdehaltung, Pferdeausbildung und übers Reiten sind in der griechischen Antike entstanden. Ihr Verfasser war Xenophon, ein Schüler des Sokrates. Als Sohn eines Adligen hatte er von Kind an mit Pferden zu tun und wollte mit diesen Veröffentlichungen erreichen, dass die Pferde der Kavallerie – nach den damaligen Maßstäben – sachkundig gehalten, geritten und ausgebildet wurden.
Natürlich hatten die Menschen schon lange vor Xenophon ihre Pferde nicht nur als Helfer bei den täglichen Arbeiten eingesetzt. Aus nomadisierenden Hirtenvölkern entwickelten sich nach der Domestizierung der ursprünglichen Wildpferde regelrechte Reitervölker wie beispielsweise die Hunnen. Ihnen wurde schnell klar, dass in Stammesfehden oder Kriegen berittene Kämpfer dem Fußvolk gegenüber einen großen Vorteil hatten.
Aber auch die sesshaften Völker verstanden spätestens nach dem ersten Zusammenstoß mit einer berittenen Armee, dass zumindest ein Teil ihrer Soldaten Reiten lernen musste. Noch dazu brauchten sie ausgebildete Pferde, die alle auf dieselben Reiterhilfen reagierten, damit ein Soldat der Kavallerie jederzeit ein anderes Pferd reiten konnte, wenn seines in der Schlacht verletzt oder getötet wurde. Dadurch entwickelte sich eine gewisse Reitkultur.
Du weißt bestimmt, dass die alten Ritter im Mittelalter – und auch alle anderen Kämpfer hoch zu Ross im Laufe der Geschichte – beim Reiten nicht besonders auf das Tierwohl achteten. Sie wollten ihre Gegner besiegen oder bestenfalls überleben. Dafür waren ihnen alle Mittel recht. Kein Kämpfer verlor damals einen Gedanken daran, wie es den Pferden bei seiner Art zu reiten ging.
Aber zum Glück gab es François Robichon de la Guérinière. Er lebte von 1688 bis 1751 und veröffentlichte 1733 eine Schrift über das Reiten und die Ausbildung von Pferden, die bis heute noch die Grundlage der klassischen Dressur darstellt. Es hatte den Titel „École de Cavalerie” – übersetzt: Schule der Kavallerie. Nach Xenophon war La Guérinière der einzige militärische Pferdeflüsterer, der Wert darauf legte, Pferde ohne Anwendung von Gewalt zu reiten. Er machte seinen Lesern klar, dass bei der Ausbildung und beim Reiten von Pferden ein entsprechendes Know-How wesentlich bessere Resultate bringt als der Einsatz von roher Körperkraft.
Natürlich haben sich später im Ersten und Zweiten Weltkrieg, als Pferde noch ein unverzichtbares Teil der militärischen Infrastruktur waren, nicht alle Reiter an die Theorien von La Guérinière gehalten. Aber der Grundstein für das heutige klassische Reiten war bereits gelegt. Als nach dem Zweiten Weltkrieg endlich Frieden einkehrte, gab es schon die ersten Reitturniere mit Schwerpunkten wie Dressurreiten, Springreiten oder Vielseitigkeitsreiten / Military.
Diese Reitturniere waren damals noch reine Männersache. Sie wurden hauptsächlich für Angehörige des Militärs ausgerichtet. Nach dem zweiten Weltkrieg bekamen auch Privatleute Zugang zu Reitturnieren. Darüber entwickelte sich das Reiten zum Volkssport in Deutschland. Und schließlich kamen auch wir Frauen ins Spiel. In den militärisch geführten Reitschulen gab es mehr und mehr weibliche Reitschüler.
Eigentlich haben mir die Ponys das Reiten beigebracht. Meine ersten Reiterfahrungen machte ich auf blankem Pferderücken, mit nichts als einem Stallhalfter und einem selbstgebastelten Zügel in der Hand. Ich war damals zehn Jahre alt und hatte bereits drei Reitlehren durchgeackert. Wenn ich zu viel falsch machte, setzten die Ponys mich in den Dreck. So lernt man vielleicht nicht perfekt Reiten, aber auf jeden Fall entwickelt man auf diese Weise einen guten Reitersitz.
Als meine Eltern merkten, dass mein Pferdevirus nicht von selbst ausheilte, waren sie der Meinung, dass ich „wenigstens anständig Reiten lernen“ sollte. Ich landete in einer renommierten Reitschule im Großraum Frankfurt. Mein Reitlehrer saß in der Mitte der Halle auf der Mini-Version eines Drehstuhls. Er beobachtete uns und schrie ab und zu militärische Kommandos.
Zum Anreiten hieß es: „Ganze Abteilung Scheeeritt, MARSCH!“. Am Ende der Reitstunde brüllte er: „Ganze Abteilung nach links brecht ab, auf der Mittellinie Durchparieren zum Halten, MARSCH!“ Das „Marsch“ war sozusagen der Startschuss für das entsprechende Bahnkommando beim Reiten. Der Reitlehrer kannte übrigens unsere Namen nicht. Wir hießen „Du da auf der Sonate“ oder „Du da auf der Auster“. Mir gefiel es dort nicht – aber es war damals meine einzige Möglichkeit, überhaupt zu reiten.
Wir bekamen nie etwas erklärt und wurden andauernd kritisiert. Ich wurde permanent wegen meiner „Fahrleinen“ – zu langen Zügeln – zusammengestaucht. Aber die Pferde waren fast durchweg völlig hart im Maul und gingen wesentlich besser, wenn ich ihnen etwas Luft ließ. Egal, das passte nicht zu den Reitvorschriften des Militärs. Ich hatte damals keine Reithandschuhe – und will auch heute noch keine, weil man mit Handschuhen weniger Gefühl hat. Das Resultat: jede Woche offene Blasen am Ringfinger.
Von artgerechter Pferdehaltung hatte damals noch niemand etwas gehört. Die Schulpferde wurden in sogenannten „Ständern“ gehalten: Dicht an dicht angebunden an Stricken von etwas mehr als einem Meter Länge konnten sie sich mit Müh und Not hinlegen, wenn sie müde waren. Ihre Ständer waren nur etwas breiter als die Pferde selbst. Es war kein Wunder, dass die Tiere fast alle eine Macke hatten. Nur Privatpferde genossen damals den „Luxus“ einer Box. Heute ist Ständerhaltung bei Pferden übrigens verboten.
Doch dann änderte sich etwas in der Pferdeszene. Es gab wohl recht viele Pferdemädchen und auch erwachsene Reiterinnen, die sich nicht mit der militärischen Reitweise, wie sie in den Reitschulen praktiziert wurde, identifizieren konnten. Frauen, für die Pferde keine Sportinstrumente waren und die reiten wollten, weil es ihnen Spaß machte – und nicht, um Pokale zu gewinnen. So entwickelte sich, mit Ursula Bruns als „Vorreiterin“, das Freizeitreiten in Deutschland.
Wir Frauen haben also mit dem Reiten eine ehemals typisch männliche Sportart gekapert und sind dabei, sie nach unseren Kriterien umzugestalten. Ein Großteil der Reiter und Pferdehalter in Deutschland sind heutzutage Freizeitreiter – oder eher Freizeitreiterinnen. Wir haben es geschafft, dass sich mittlerweile in der Reiterszene ein Bewusstsein für artgerechte Pferdehaltung und Pferdegerechte Reitweisen entwickelt hat.
Natürlich ignorieren gut informierte Freizeitreiter nicht die Lehren der alten Meister wie François Robichon de la Guérinière und weiterer Koryphäen wie z.B. Richard Hinrichs (Tänzer an leichter Hand). Ihre Theorien sind nach wie vor unschlagbar, auch wenn sie angeblich die Basis des viel kritisierten professionellen Reitsports sein sollen. Schräge Praktiken und Tierquälerei beim Reiten haben aber überhaupt nichts mit der Pferde-freundlichen Reitlehre der alten Meister zu tun
Reiten und Pferdehaltung haben sich in Deutschland also in den letzten 50 Jahren radikal gewandelt – und zwar aufgrund der Initiative von Frauen. Nur noch die wenigsten Pferde werden heutzutage als Sportgeräte missbraucht. Trotzdem hat der Reitsport aktuell ein negatives Image in der Öffentlichkeit. Die verschiedenen Skandale rund um Turnierreiter, Barren beim Springreiten und Rollkur fürs Pferd beim Dressurreiten sorgen für böses Blut in den Medien.
Wenn du dazu beitragen möchtest, dass das Reiten in der Gesellschaft wieder ein besseres Image erhält, kannst du dich hier bei Trabland mit stichhaltigen und belegbaren Argumenten versorgen. Unsere Beiträge basieren auf sorgfältig recherchierten, belegbaren Quellen und auf den Praxiserfahrungen von drei Autorinnen, die professionell mit Pferden gearbeitet haben. Schau gleich mal nach, ob dich unsere anderen Texte zum Thema „Reiten“ auch interessieren.
Viel übers Reiten zu lesen ist nicht so sehr dein Ding? Setzt du eher auf Live-Erfahrungen als auf Theorie? Dann schau doch einfach mal nach, was in puncto Reiten in der Nähe deines Wohnorts so angeboten wird. In ganz Deutschland gibt es unzählige Reiterhöfe, Reitschulen und Ponyhöfe, über die du dich schnell und unkompliziert mithilfe unserer Suchmaske informieren kannst. Probier es doch gleich einmal aus.
• Domestizierung der ersten Wildpferde um etwa 3.000 v. Chr.
• Erstes Reiten von Pferden wahrscheinlich um dieselbe Zeit
• Erste schriftliche Publikation über das Reiten um 400 v. Chr.
• Grundlagen der klassischen Reitkunst 1733 publiziert
• Erste Reitturniere nach dem Zweiten Weltkrieg
• Die Freizeitreiter-Bewegung entsteht in den siebziger Jahren
Quellen:
https://www.pferd-aktuell.de/deutsche-reiterliche-vereinigung/zahlen--fakten
Kompakte Infos für Pferdefreunde. Hier erhältst du Antworten auf die häufigsten Fragen rund um Pferd und Reiter.
Reiten lernen und auf dem Pferd tolle Abenteuer erleben. Reiten fördert den Muskelaufbau, steigert die Kondition und festigt die Beziehung zum Pferd.