Erstveröffentlichung am 23.01.2023 - Seit Jahrhunderten stellen sich Tierärzte die Frage nach der Ursache einer auffälligen Gangstörung bei Pferden: Die Hinterbeine der betroffenen Tiere zucken weit nach oben und stampfen anschließend hart auf den Boden. Früher nannte man diese Krankheit „Zuckfuß“.
Die auffällige Bewegungsstörung kommt hauptsächlich im Schritt vor, kann aber auch gelegentlich im Trab auftreten. Mittlerweile ist erwiesen, dass es sich dabei zumeist um eine bestimmte Neuropathie (Nervenerkrankung) handelt, die zwei verschiedene Ursachen haben kann. Wir haben hier alle wichtigen Informationen zum Hahnentritt beim Pferd übersichtlich zusammengefasst.
Redaktionelle Mitarbeit: Nelly Sophie Lönker, Medizinredaktion
Diese Seite soll Pferdehalterinnen und Pferdehaltern lediglich Informationen über Krankheiten und Symptome beim Pferd vermitteln. Die Informationen dürfen weder die Beratung oder Behandlung durch einen Tierarzt ersetzen noch dazu verwendet werden, eigenständig medizinische Behandlungen vorzunehmen. Sie dienen nicht zur Selbstdiagnose und/oder Selbstbehandlung und ersetzt keinesfalls die Diagnose durch einen Tierarzt.
Hahnentritt – international unter dem englischen Begriff „Stringhalt“ bekannt – ist zwar eine Gangstörung, aber keine Lahmheit im eigentlichen Sinne. Ein lahmendes Pferd zeigt einen unnatürlichen Bewegungsablauf, weil es vermeidet, eine schmerzende Gliedmaße zu belasten. Bei Stringhalt gehen die Veterinärmediziner hingegen davon aus, dass die betroffenen Tiere keine Schmerzen haben. Wenn die Symptome nicht allzu sehr ausgeprägt sind, kann man Pferde mit Hahnentritt reiten – allerdings werden sie keine sportlichen Höchstleistungen erbringen.
Die Ganganomalie tritt während der Schwungphase an einem oder beiden Hintergliedmaßen auf und ist durch eine übermäßige weite Beugung (Hyperflexion) der Sprunggelenke gekennzeichnet. Es gibt zwei verschiedene Arten von Hahnentritt beim Pferd: die idiopathische und die australische Variante. Beide Formen sind Erkrankungen des peripheren Nervensystems, haben aber unterschiedliche Ursachen. „Idiopathisch“ bedeutet, dass bislang noch keine eindeutigen Gründe für die Entstehung der Krankheit bekannt sind. Australian Stringhalt wird durch eine Vergiftung hervorgerufen.
Bei der idiopathischen Form von Hahnentritt treten lediglich die zuckenden Bewegungen an einem oder beiden Hinterbeinen auf. Der Bewegungsablauf kann in schweren Fällen soweit gestört sein, dass sich die betroffenen Tiere nur noch durch eine Art „Hoppeln“ fortbewegen können.
Pferde mit Australian Stringhalt können zusätzlich durch Atemgeräusche auffallen: Die Vergiftung schädigt in einigen Fällen auch Nerven im Kehlkopf.
Hier ein Überblick über die Symptome von idiopathischem und Australischem Hahnentritt beim Pferd:
Es gibt zahlreiche verschiedene Ursachen für den sogenannten „Zuckfuß“. Beim Australian Stringhalt ist mittlerweile der Auslöser für die folgenschweren Vergiftungen ziemlich sicher identifiziert. Es handelt sich dabei um eine giftige Pflanze, die auf jeder Weide vorkommen kann: das gewöhnliche Ferkelkraut, auch Pseudo-Löwenzahn oder Plattwurzel (botanischer Name Hypochoeris radicata) genannt. Anscheinend wird die Pflanze hauptsächlich dann von Pferden gefressen, wenn die Weide schon ziemlich abgefressen ist.
Laut einer amerikanischen Studie (Stringhalt in horses: a distal axonopathy von J I Cahill, B E Goulden, R D Jolly, PMID: 3024050) gehört zumindest der Australische Hahnentritt eindeutig zu den Polyneuropathien (Schädigung mehrerer Nerven des peripheren Nervensystems), die als „distale Axonopathien“ bezeichnet werden. Bei einer Axonopathie sind die Axone (Bestandteile der Nerven) geschädigt. Die daraus resultierende Unterfunktion der peripheren Nerven kann sich durch Fehlfunktionen in der Motorik, Lähmungen, Krämpfe oder Muskelatrophien bemerkbar machen.
Wenn wir uns die Symptome des idiopathischen Hahnentritts anschauen, gehört diese Form der Krankheit ziemlich wahrscheinlich ebenso zu den distalen Axonopathien. Allerdings ist es wesentlich schwieriger, hier etwaige Auslöser einzugrenzen. Die idiopathische Bewegungsstörung kann beispielsweise durch eine Verletzung oder ein stumpfes Trauma im Bereich von Hintergliedmaßen, Rücken oder Hals ausgelöst werden. Als weitere infrage kommende Ursachen werden Schimmelpilzgifte, Bakterien – vor allem Druse-Bakterien – sowie Muskelentzündungen oder degenerative Veränderungen vom Ischiasnerv vermutet.
Wenn dein Pferd diesen „seltsamen Gang“ zeigt, solltest du möglichst schnell vom Tierarzt abklären lassen, was genau dahinter steckt. Es gibt nämlich auch noch andere Pferdekrankheiten, die dieses unnatürliche Gangbild verursachen können – und die sind nicht unbedingt alle schmerzfrei.
Falls es aber nicht um dein eigenes Pferd, sondern zum Beispiel um einen Pferdekauf geht, bist du mit einer Ankaufsuntersuchung durch einen Fachtierarzt für Pferde auf der sicheren Seite. Du solltest auf keinen Fall ein Pferd mit Hahnentritt kaufen, bevor es dein Tierarzt nicht gründlich unter die Lupe genommen hat.
Pferde mit Shivering – korrekte englische Bezeichnung ist „Shivers“ – zeigen in etwa ähnliche Symptome wie Pferde mit Hahnentritt. Allerdings verkrampft sich bei der neuromuskulären Störung, die Shivers zugrunde liegt, die betroffene Hintergliedmaße in angehobener Position so stark, dass sie längere Zeit unter dem Pferdebauch verharrt. Hinzu kommt ein unkontrolliertes Zittern, das in schweren Fällen auch Vordergliedmaße, Kopf und/oder Hals befallen kann.
Weitere Krankheiten, die ein ähnliches Gangbild hervorrufen können, sind Spat oder arthrotische Veränderungen am Kniegelenk.
Die Diagnose Hahnentritt wird bei Pferden zuerst einmal als Verdachtsdiagnose aufgrund der klinischen Symptomatik gestellt. Das bedeutet, dass der Veterinärmediziner seine Diagnose vorerst aufgrund des allgemeinen Erscheinungsbilds stellt, ohne dazu Blutuntersuchungen, Röntgenbilder usw. einzusetzen. Bei der weiterführenden Diagnose wird ein guter Tierarzt natürlich alle Verwechslungsmöglichkeiten ausschließen.
Um sicher zu gehen, dass keine schmerzhaften Erkrankungen der Gelenke vorliegen, wird er eventuell eine Szintigrafie (Röntgenaufnahme mit Kontrastmittel) anfertigen. Wenn das ausgeschlossen ist, wird er wahrscheinlich überprüfen, ob das klinische Erscheinungsbild nicht doch zu Shivering passen könnte. Aufgrund seiner Erfahrung wird er die beiden Erkrankungen aber problemlos auseinanderhalten können.
Aktuell gibt es noch keine medikamentösen Therapien gegen diese Polyneuropathie. Krampflösende Medikamente, Sympathikolytika, Kortikosteroide oder Botox zeigen nicht in allen Fällen eine Wirkung, die zudem nur für eine Weile anhält. Manche Tierärzte empfehlen die Gabe von Vitamin B1 (Thiamin), weil dieses Vitamin unter anderem mit der Reizweiterleitung der Nerven assoziiert wird. Bei Thiamin brauchst du dir, im Gegensatz zu vielen anderen Vitaminen, keine Gedanken wegen einer Überdosierung zu machen. Überschüssiges Vitamin B1 wird vom Körper nicht aufgenommen und einfach über die Nieren wieder ausgeschieden.
Australian Stringhalt bessert sich bei einigen Pferden wieder von selbst. Es kann aber mehrere Monate dauern, bis die Symptome verschwunden sind. Je nach Schweregrad der Symptome raten Tierärzte auch zu einer Operation, zumindest bei der klassischen Form. Dabei wird die Sehne des Musculus extensor digitalis (Zehenstrecker) entweder teilweise oder auch komplett mitsamt dem Muskel entfernt. Die Operation kann zwar nicht immer sämtliche Symptome beseitigen, aber die Pferde erholen sich sehr schnell davon und können nach etwa zwei Wochen wieder geritten werden.
WICHTIG: Ob mit leichten oder schwereren Symptomen: Pferde mit Zuckfuß sollten nicht „stehen gelassen“ werden, weil das die Symptome noch weiter verschlimmert.
Ein guter Pferdephysiotherapeut kann bei erkrankten Pferden die Muskelspannung durch gezielte Übungen und Massagen reduzieren und Verspannungen lösen. Homöopathische Behandlung kann die Therapie deines Tierarztes ebenfalls unterstützen. Du solltest die Wahl der passenden Mittel aber einem fachkundigen Tierheilpraktiker überlassen. Die Behandlung von Krankheiten des Nervensystems gehört nicht in die Hände von Laien.
Im Fachhandel werden Futterzusätze mit Mangan, Zink oder Magnesium angeboten, die eine ausgleichende Wirkung auf das Nervensystem haben sollen. Bevor du dich für solche Supplemente entscheidest, solltest du deinen Tierarzt darum bitten, die entsprechenden Werte bei deinem Pferd analysieren zu lassen. Zuviel Zink oder Magnesium kann Durchfall und schlimmstenfalls auch Muskelschwäche verursachen. Wenn dein Pferd regelmäßig zu viel Mangan aufnimmt, können sogar Nervenschädigungen entstehen.
Leider gibt es keinerlei vorbeugende Maßnahmen gegen den klassischen (idiopathischen) Hahnentritt. Mit viel Bewegung und einer leistungsgerechten Fütterung kannst du aber dein Pferd generell fit halten, sodass es im Krankheitsfall schneller wieder gesund wird. Gegen Australian Stringhalt kannst du vorsorgen, indem du eure Weide regelmäßig auf Giftpflanzen kontrollierst.
Der Hahnentritt beim Pferd sieht zwar spektakulär aus, ist für die Tiere aber in den meisten Fällen nicht schmerzhaft. Betroffene Tiere zeigen abrupte, zuckende Bewegungen der Hinterbeine, vorwiegend in langsamen Gangarten. Da die Nervenerkrankung je nach Ursache unterschiedlich behandelt wird, solltest du bei entsprechenden Symptomen auf jeden Fall eine tierärztliche Diagnose durchführen lassen.
Quellenangaben
https://www.msdvetmanual.com/musculoskeletal-system/lameness-in-horses/stringhalt
https://www.sciencedirect.com/topics/veterinary-science-and-veterinary-medicine/stringhalt
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/3024050/
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/1606929/
https://en.wikipedia.org/wiki/Stringhalt
https://ceh.vetmed.ucdavis.edu/health-topics/stringhalt-equine-reflex-hypertonia
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