Erstveröffentlichung am 24.04.2023 - Bei Pferden kommen Gallen viel häufiger vor als bei anderen Großtieren. Es sind weiche Schwellungen, die oft recht „gefährlich“ aussehen. Wer nach einem neuen Pferd Ausschau hält und plötzlich vor so einer Beule steht, macht oft direkt einen Rückzieher. Verständlicherweise: Wer möchte schon ein Pferd kaufen, das vielleicht gleich bei der Ankaufsuntersuchung durchfällt? Dabei sagt ein uraltes Reitersprichwort: „Wer sich fürcht’ vor Spat und Gall’, hat nie ein gutes Pferd im Stall.“ Sind diese Schwellungen also harmlos? Hier erfährst du es.
Redaktionelle Mitarbeit: Nelly Sophie Lönker, Medizinredaktion
Diese Seite soll Pferdehalterinnen und Pferdehaltern lediglich Informationen über Krankheiten und Symptome beim Pferd vermitteln. Die Informationen dürfen weder die Beratung oder Behandlung durch einen Tierarzt ersetzen noch dazu verwendet werden, eigenständig medizinische Behandlungen vorzunehmen. Sie dienen nicht zur Selbstdiagnose und/oder Selbstbehandlung und ersetzt keinesfalls die Diagnose durch einen Tierarzt.
Gallen sind Ansammlungen von Synovialflüssigkeit (Gelenkschmiere) in Gelenken, Sehnenscheiden oder Schleimbeuteln. Sie können in extremen Fällen so groß wie ein Ball werden. Es gibt weiche und harte Gallen. Verhärtete Gallen können mit der Zeit durch Einlagerung von Bindegewebe entstehen. Je nach Lokalisierung können sie unter Umständen Bewegungsabläufe behindern und / oder sich entzünden.
Die Schwellungen liegen zumeist an den Fesselgelenken, den Sprunggelenken oder den Kniegelenken. Tierärzte unterscheiden zwischen Schleimbeutelgallen (Bursitis), Gelenkgallen und Sehnenscheidengallen (Tendovaginitis). Schleimbeutelgallen sind in der Regel nichts weiter als ein Schönheitsfehler. Gelenkgallen und Sehnenscheidengallen können hingegen auch Lahmheiten verursachen.
Abhängig von ihrer Lokalisation haben Gallen unterschiedliche Bezeichnungen:
Kreuzgalle: Schwellung hinten am Sprunggelenk
Kurbengalle: Schwellung seitlich am Sprunggelenk
Eiergalle: Schwellung am Fersenbeinhöcker
Piephacke: Schwellung am Fersenbein
Stollbeule: Schwellung am Ellenbogenhöcker
Knieschwamm: Schwellung an der Vorderseite des Vorderfußwurzelgelenks
Genickbeule: geschwollener Nackenschleimbeutel zwischen Atlas und Nackenband
„Windgallen“ ist der Ausdruck für schmerzlose Schwellungen, von denen nicht zu erwarten ist, dass sie einem Pferd in Zukunft Probleme bereiten.
Gut zu wissen: Sogenannte „Steingallen“ sind keine Gallen im üblichen Sinn, sondern Druckstellen, Blutergüsse oder Eiterherde in der Hufsohle.
Gallen entstehen zumeist durch einen entzündlichen Prozess, der unterschiedliche Ursachen haben kann. Der Organismus des Pferdes reagiert auf die Entzündung unter anderem, indem er vermehrt Synovialflüssigkeit produziert. Dadurch weiten sich die synovialen Strukturen, also Schleimbeutel, Sehnenscheiden oder Gelenkkapseln. Nach Abklingen der Entzündung wird die Synovialflüssigkeit nicht abgebaut und eine schmerzlose weiche Schwellung bleibt zurück.
Während der akuten Entzündung gehen zahlreiche Pferde lahm, was sich aber anschließend wieder legt. Die zurückbleibende Schwellung ist weich, schmerzfrei, nicht wärmer als ihre Umgebung und lässt sich in vielen Fällen etwas unter der Haut verschieben. Diese sogenannten „Windgallen“ müssen nicht vom Tierarzt behandelt werden. Bei einer akuten Entzündung ist die Schwellung eher wärmer als ihre Umgebung, häufig schmerzhaft und bisweilen auch relativ hart. In einem solchen Fall solltest Du den Tierarzt holen.
Hier die Symptome für entzündliche Gallen auf einen Blick:
Diffuse Schwellungen an den Gliedmaßen von Pferden entstehen zumeist durch äußere traumatische Einflüsse wie „Greifen“ (Hinterhuf kollidiert im Trab mit dem Vorderhuf) oder „Streichen“ (Hinterhuf kollidiert in Bewegung auf der Innenseite mit dem anderen Hinterhuf). Im Springsport können Kollisionen mit einem Hindernis – und auch das tierquälerische „Barren“ – zu entzündlichen Schwellungen und chronischen Gallen an Pferdebeinen führen.
Auch Tritte gegen die Boxenwand oder Transporte in engen Hängern kommen als Auslöser infrage. Zu enge Bandagen können ebenso bewirken, dass sich die Synovialflüssigkeit überproportional vermehrt. Es wird sogar behauptet, dass Fehlbelastungen durch einen unausbalancierten Sitz des Reiters zu Gelenkentzündungen und in Folge zur Entstehung von Gallen beitragen können. Sicher ist, dass auch Gelenkchips als Ursachen infrage kommen.
Mehrere Studien aus den USA legen nahe, dass Widerristfisteln und Genickbeulen beim Pferd Begleiterscheinungen einer Borreliose (Infektion mit Borrelia burgdorferi) sein können. Bei einer Nackenschleimbeutelentzündung (Genickbeule) solltest Du unbedingt Kontakt mit einem Veterinärmediziner aufnehmen, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass das Nackenband nekrotisiert oder verkalkt. Bei einer Widerristfistel bleibt Dir ohnehin nichts anderes übrig. Die betroffenen Pferde können schließlich nicht mehr mit Sattel geritten werden.
Wenn bei Deinem Pferd eine schmerzhafte Schwellung aufgetreten ist, solltest du baldmöglichst den Tierarzt kommen lassen. Je schneller die Entzündung behandelt wird, desto weniger zusätzliche Synovialflüssigkeit wird gebildet. Eine Galle bleibt bei rechtzeitiger Therapie in jedem Fall kleiner als bei einer verzögerten Behandlung.
Bis zum Eintreffen des Tierarztes kannst Du die Schwellung mit einem locker angelegten Heilerde-Verband kühlen. Alternativ haben sich auch Angussverbände mit Arnicatinktur bewährt. Falls Du eine homöopathische Stallapotheke besitzt, kannst Du Deinem Pferd zusätzlich einige Arnica Globuli in den Potenzen D12 bis C30 verabreichen.
Veterinärmedizinische Laien können unter Umständen Gallen mit angelaufenen Beinen verwechseln. Allerdings entstehen angelaufene Beine durch einen Lymphstau, nicht durch eine erhöhte Produktion von Synovialflüssigkeit.
Du kannst selbst ausprobieren, ob die Schwellung bei Deinem Pferd von einem Lymphstau verursacht wurde oder nicht. Wenn Du mit einem Finger auf den angeschwollenen Bereich drückst, bildet sich eine Kuhle. Diese ist bei angelaufenen Beinen auch noch zu sehen, wenn der Druck aufgehört hat.
Wenn Dein Pferd beim Druck auf die Schwellung keine Schmerz- oder Abwehrreaktionen zeigt und die Beule nicht wärmer ist als das sie umgebende Gewebe, hast Du es wahrscheinlich mit einer harmlosen Windgalle zu tun. Manchmal entstehen solche Gallen auch spontan, ohne vorherige Entzündung.
Ansonsten kommt der Tierarzt und behandelt die Infektion. Die Symptome für entzündliche Gallen beim Pferd sind so eindeutig, dass er keine aufwendigen Diagnoseverfahren einzusetzen braucht. Er wird Dich lediglich zum Krankheitsverlauf befragen, die entzündete Stelle abtasten und eventuell Blut abnehmen. Höchstwahrscheinlich wird er vermeiden, die Galle zu punktieren, weil dadurch zusätzliche Krankheitskeime eingetragen werden können.
Ein guter Tierarzt wird großes Interesse daran haben, die Infektion schnell zum Abklingen zu bringen, damit sich die Galle bei Deinem Pferd möglichst wenig vergrößert und keine chronische Entzündung entsteht. Wenn anfangs die Behandlung einer entzündeten Schwellung vernachlässigt wird, kann der Zustand in manchen Fällen chronisch werden. Und die Therapie chronisch entzündeter Gallen ist sehr zeit- und kostenintensiv.
Ein verantwortungsvoller Fachtierarzt für Pferde wird deshalb bei der Behandlung einer entzündlichen Galle „schwere Geschütze auffahren“: Antibiotika, NSAIDs (schmerzlindernde und abschwellende Medikamente ohne Kortison) und unter Umständen auch Kortikosteroide (Kortison). Diese Medikamente haben zwar unerwünschte Nebenwirkungen wie zum Beispiel die Abtötung nützlicher Darmbakterien durch bestimmte Antibiotika. Aber sie wirken zumeist sehr schnell und können so die Umfangsvermehrung einer Galle auf ein Minimum beschränken.
Wenn Dein Pferd ein Rehekandidat ist, also schon öfters Hufrehe oder Huflederhautentzündung hatte, solltest du solchen Medikamenten kritisch gegenüberstehen. Bei manchen entsprechend veranlagten Pferden können sie einen Reheschub auslösen. Falls Dein Pferd hochgradig Rehe-gefährdet ist, solltest Du Dich mit Deinem Tierarzt vor der Behandlung beraten und möglichst auch einen Tierheilpraktiker hinzuziehen.
Angussverbände mit verdünnten Urtinkturen oder Extrakten aus Beinwell, Arnica oder Rhus toxicodendron können bei richtiger Anwendung sehr effizient sein, um Entzündungen und / oder Schwellungen zu therapieren. Die sachgerechte Handhabung solltest Du Dir aber von einem erfahrenen Tierheilpraktiker zeigen lassen, weil falsch angelegte Verbände eine Galle noch vergrößern können. Er kann dann auch entscheiden, welche Heilpflanzen im speziellen Fall Deines Pferdes am geeignetsten sind.
Früher wurden auch Umschläge mit feuchtem Lehm oder Sauerkraut zur Behandlung von Gallen eingesetzt. Am besten wirken solche Anwendungen, wenn sie auch noch innerlich unterstützt werden. Dazu steht eine ganze Liste von homöopathischen Mitteln zur Verfügung. Sie sollten allerdings mit Sachverstand ausgesucht und angewandt werden. Infrage kommende Therapeutika sind beispielsweise Bryonia, Silicea, Ferrum phosphoricum, Natrium sulfuricum, Apis, Kalium bichromicum oder Rhus toxicodendron.
Akupunktur oder Akupressur können dazu beitragen, dass Blockaden gelöst werden. Moderate Bewegung wie Spazierengehen oder Reiten im Schritt bringt den Pferdeorganismus in Schwung und trägt so auch zur Genesung bei. Weidegang in der Herde oder Offenstallhaltung sorgen für ein Plus an Bewegung neben dem üblichen Training, was sich auch wieder positiv auf die Heilungschancen auswirkt. Die Behandlung von Gallen beim Pferd kann also effektiv von Pferdehaltern unterstützt werden.
Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, dem Entstehen von Gallen vorzubeugen: Vermeide Ursachen, die sie hervorrufen können. Achte auf gut passendes Sattelzeug, damit keine Widerristfisteln entstehen. Gönne Deinem Pferd ausreichend Freilauf in der Herde, damit es sich keine „Stalluntugenden“ wie das Treten gegen Boxenwände angewöhnt.
Wenn ihr viel mit dem Hänger unterwegs seid, lohnt sich die Anschaffung von Transportgamaschen. Falls Du Dein Pferd bandagierst, achte darauf, dass die Bandagen nicht zu fest sitzen. Sorge dafür, dass Dein Pferd regelmäßig gearbeitet wird, um sein Abwehrsystem auf natürliche Weise zu unterstützen. Bei Pferden, die sich streichen, helfen Streichkappen. Und wenn Dein Pferd sich greift, kann der Hufschmied etwas dagegen tun.
Schmerzlose weiche Gallen sind in der Regel harmlos. Verhärtete Gallen ebenso – sie können aber eventuell aufgrund ihrer Lokalisierung bestimmte Bewegungsabläufe beeinträchtigen. Bei schmerzhaften oder warmen Schwellungen solltest Du allerdings den Tierarzt kommen lassen.
Quellenangaben
https://www.brookvets.co.uk/navicular-bursitis/
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fvets.2021.743067/full
https://www.der-pferde-tierheilpraktiker.de/krankheiten/gallen/
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