Erstveröffentlichung am 28.12.2022 - Manche Pferde sind wirklich verfressen und das sieht man ihnen auch an. Es ist zwar schwer zu widerstehen, wenn diese Dickerchen nach Kraftfutter oder einem Leckerli betteln – aber Übergewicht kann auch Krankheiten hervorrufen.
Eigentlich kennen wir das ja schon vom Menschen. Wie viele Diabetiker sind wohl durchtrainiert und gertenschlank? Zu viele „Reserven für schlechte Tage“ können den menschlichen Insulinhaushalt durcheinander bringen.
Genau das passiert auch Pferden mit Equinem Metabolischem Syndrom. EMS beim Pferd ist mehr oder weniger dasselbe wie Typ II Diabetes mellitus beim Menschen. Mit optimiertem Haltungsmanagement kannst du diese Stoffwechselentgleisung aber wieder in den Griff kriegen.
Redaktionelle Mitarbeit: Nelly Sophie Lönker, Medizinredaktion
Diese Seite soll Pferdehalterinnen und Pferdehaltern lediglich Informationen über Krankheiten und Symptome beim Pferd vermitteln. Die Informationen dürfen weder die Beratung oder Behandlung durch einen Tierarzt ersetzen noch dazu verwendet werden, eigenständig medizinische Behandlungen vorzunehmen. Sie dienen nicht zur Selbstdiagnose und/oder Selbstbehandlung und ersetzt keinesfalls die Diagnose durch einen Tierarzt.
Das Equine Metabolische Syndrom ist eine endokrine Erkrankung, die den Stoffwechsel der betroffenen Pferde außer Balance geraten lässt. EMS beim Pferd ist eine Art „Wohlstandserkrankung“, weil die Tiere heutzutage oft nur wenig arbeiten, aber viel Futter zur Verfügung haben. Fettdepots werden immer dann angelegt, wenn bei einem warmblütigen Lebewesen – energetisch gesehen – mehr Input als Output vorhanden ist. Für das Überleben eines Wildpferds macht ein gewisses Fettpolster Sinn, weil es im kalten Winter nur wenig Futter findet und trotzdem seine Körpertemperatur aufrecht erhalten muss.
Frei lebende Wildpferde, die kein Zusatzfutter bekommen, sind im März oft nur noch Haut und Knochen. Im späteren Frühjahr erreichen sie wieder ihr Normalgewicht. Genau dann werden auch die meisten Fohlen geboren. Nach der Geburt produzieren die Wildpferde-Stuten täglich 15 bis 25 Liter Milch. Das sorgt dafür, dass sie trotz des reichen Futterangebots nicht zu fett werden. Hengste riskieren in der Zeit des besten Futterangebots auch kein Übergewicht. Sie sind "voll auf Adrenalin", weil die Stuten zehn Tage nach der Geburt wieder rossig werden.
Sport- und Freizeitpferde in unseren Breiten brauchen aber keine schützende Speckschicht. Wir bieten ihnen ausreichend Futter und Witterungsschutz rund ums Jahr. Jetzt erklär das mal einem leichtfuttrigen Pferd… Ponys, Esel und auch einige Großpferderassen funktionieren immer noch nach dem Prinzip: „Wenn Futter da ist, möglichst viel davon fressen, um Reserven für den Winter anzulegen.“ Wie so viele andere Pferdekrankheiten entsteht das Equine Metabolische Syndrom hauptsächlich dadurch, dass der Organismus unserer Pferde Probleme damit hat, sich an unsere „zivilisierten Haltungsbedingungen“ anzupassen.
Es gibt einige Symptome, die als Anzeichen für EMS beim Pferd gelten. Leitsymptom ist Adipositas, also eine übermäßig starke Fetteinlagerung, besonders in Regionen wie dem Mähnenkamm, oberhalb der Schweifwurzel, am Gesäuge oder am Präputium (rund um den Schlauch).
Bei manchen Pferden lagert sich das Fett auch hinter dem Widerrist, in der Gurtlage und gelegentlich sogar um die Augenhöhlen ab. Hinzu kommt eine Tendenz zur Hufrehe und/oder zu Koliken.
Stuten können einen veränderten Hormonzyklus haben, was oft mit Unfruchtbarkeit einhergeht.
Zudem sind die Tiere durstiger als ihre gesunden Artgenossen und scheinen andauernd Hunger zu haben.
Hier die Symptome von EMS auf einen Blick:
Nicht jedes übergewichtige Pferd entwickelt ein Metabolisches Syndrom. Aber bei jedem Pferd mit Equinem Metabolischem Syndrom passiert Folgendes: Seine Fettdepots setzen unter anderem Hormone frei, welche die Fähigkeit zur Insulinaufnahme beeinträchtigen.
Normalerweise schüttet die Bauchspeicheldrüse nach einer Mahlzeit Insulin aus. Das signalisiert dem Gewebe der Leber, der Muskulatur und den Fettgeweben, dass es jetzt Zucker (Glukose) als Energiespeicher einlagern soll. Die Hormone aus den Fettdepots behindern jedoch diesen Vorgang und der (Blut-) Zucker bleibt im Blut.
Deshalb setzt die Bauchspeicheldrüse in der Regel noch mehr Insulin frei – und ein Teufelskreis beginnt. Dieser Zustand wird „Insulinresistenz“ oder „Insulin- Dysregulation“ genannt. Wie bei menschlichen Diabetikern ist aufgrund der Stoffwechselanomalie die Durchblutung in den Extremitäten nicht besonders gut.
Aus diesem Grund entwickeln viele Pferde mit dem Equinen Metabolischen Syndrom eine chronische Hufrehe, die anfangs zumeist eher mild verläuft und deshalb nicht immer erkannt wird.
Je früher das Metabolische Syndrom beim Pferd festgestellt wird, desto besser stehen die Chancen, dass sich der Stoffwechsel nach einer Diät wieder einpendelt.
Auch wenn dir dein Dickerchen vielleicht leid tut: Es gibt keine andere Möglichkeit als mehr Bewegung und weniger Futter, um diese Stoffwechselentgleisung zu kurieren.
Dein Pferd mag zwar nicht verstehen, warum es plötzlich nur noch so wenig zu fressen bekommt. Aber du verstehst bestimmt, dass es notwendig ist, damit sich aus dem Metabolischen Syndrom bei deinem Pferd nicht auch noch ein Cushing-Syndrom entwickelt.
Differenzialdiagnostisch sollte dein Tierarzt sowohl das Cushing-Syndrom als auch eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreoidismus) ausschließen. Das Metabolische Syndrom kommt bei Pferden allerdings wesentlich häufiger vor als Erkrankungen der Schilddrüse.
Einer der Anhaltspunkte zur Unterscheidung zwischen Cushing und dem Equinen Metabolischen Syndrom ist der Fellwechsel.
Pferde mit Cushing-Syndrom haben einen verzögerten Fellwechsel und oft ein extrem langes oder lockiges Winterfell. Außerdem kommt das Metabolische Syndrom bei Pferden jeden Alters vor, Cushing hingegen hauptsächlich bei älteren Pferden.
Wenn dein Pferd an den krankheitstypischen Stellen Fettpolster aufweist, wird dein Tierarzt ziemlich wahrscheinlich die Verdachtsdiagnose „Equines Metabolisches Syndrom“ stellen. Um auf Nummer Sicher zu gehen, wird er dann zusätzlich verschiedene Laboruntersuchungen vornehmen lassen. Am schnellsten erfährst du die Ergebnisse der sogenannten „Nüchtern-Insulin- und Glukose- Bestimmung“.
Dazu wird deinem Pferd in nüchternem Zustand etwas Blut abgenommen. Die Resultate sind allerdings nur bei fortgeschrittenen Krankheitsstadien aussagekräftig.
Wirklich verlässliche Ergebnisse erhältst du durch einen dynamischen Test: den OGT (oraler Glukosetoleranz-Test).
Dazu muss dein Pferd eine Nacht lang in einer Box ohne Futter und Einstreu stehen. Am Morgen bekommt es dann Blut abgenommen, das anschließend auf den Insulin- und den Glukosegehalt (Blutzucker) untersucht wird. Dann verabreicht ihm dein Tierarzt per Nasensonde Zuckerwasser in der Dosierung von einem Gramm pro Kilo Körpergewicht. Nach zwei Stunden wird wieder Blut abgenommen, das später ebenso auf Glukose und Insulin untersucht wird. Bei einem Pferd mit Metabolischem Syndrom sind die Werte auch noch nach zwei Stunden stark erhöht.
Da es bisher noch keine verlässliche medikamentöse Therapie gegen das Metabolische Syndrom beim Pferd gibt, solltest du versuchen, deinen Dicken durch eine konsequente Diät und vermehrte Bewegung auf sein Idealgewicht zu bringen. Dazu bekommt er ein Gemisch aus spät (nach der Blüte) geschnittenem Heu und einem Drittel gutem Futterstroh. Der Strohanteil sollte nicht höher sein, da ansonsten eine Verstopfungskolik entstehen kann. Genau aus diesem Grund solltest du seine Box auch mit einer Stroh-Alternative einstreuen.
Die Tagesmenge des Heu-Strohgemischs darf maximal 1,5 kg pro 100 kg Lebendgewicht betragen. Zur Berechnung solltest du aber nicht das jetzige Gewicht deines Pferdes, sondern das angestrebte Idealgewicht einsetzen. Unnötig zu betonen, dass EMS beim Pferd und Weidegang nicht miteinander zu vereinbaren sind. Kraftfutter und Leckerli müssen leider bis auf Weiteres auch vom Speiseplan gestrichen werden. Wobei du deinem armen Dickerchen statt der Leckerli aber auch maßvoll Löwenzahn oder andere pflanzliche Leckereien geben kannst.
Offenstallhaltung ist wegen der Diät ziemlich problematisch, wenn es nur einen Paddock für alle Pferde gibt. Damit dein Pferd trotzdem Gesellschaft hat, kannst du dich ja vielleicht mit anderen Pferdebesitzern zusammentun, deren Pferde auch abspecken müssen. Bei Pferden mit Metabolischem Syndrom ist Bewegung ebenso wichtig wie die Diät. Bestimmt kann dir dein Tierarzt dabei helfen, einen speziellen Trainingsplan für Dein Pferd mit EMS auszuarbeiten. Durch Bewegung kann die Insulinsensitivität der Körperzellen wesentlich gesteigert werden.
Stoffwechselstörungen konnten schon oft durch eine homöopathische Behandlung günstig beeinflusst werden. Da es sich bei dem Equinen Metabolischen Syndrom aber nicht um einen akuten Zustand wie beispielsweise eine Prellung oder ein Schnupfen handelt, solltest du die „Kügelchen“ nicht selbst auswählen. Auch die homöopathische Behandlung chronischer Erkrankungen gehört in die Hände eines erfahrenen Tierheilpraktikers.
Therapie von EMS beim Pferd mit Zusatzfutter unterstützen
Bei verringerter Futteraufnahme kann es passieren, dass dein Pferd zu wenige Mineralstoffe und Spurenelemente über seine Nahrung aufnimmt. Auch wenn Zusatzfutter bei EMS erst einmal widersinnig klingt: Der Grundbedarf an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen muss auch bei einer Diät abgedeckt sein. Im Fachhandel findest du mittlerweile geeignete Zusatzfuttermittel für Pferde mit EMS, Dein Tierarzt berät Dich sicherlich gerne. Und der Hype um den Mönchspfeffer? Probier ihn einfach aus. Er schadet nicht, aber es gibt nicht viele Pferde, die ihn im Futter akzeptieren.
Mit wenigen Worten: Energetischer Input und Output sollten sich die Waage halten.
Das Metabolische Syndrom der Pferde ist eine Zivilisationskrankheit, die dem Typ II Diabetes mellitus beim Menschen ähnelt. Betroffene Tiere sind adipös und leiden unter einer Insulin-Dysregulation, die unter anderem Hufrehe provozieren kann. Der Fokus bei einer Therapie von EMS beim Pferd liegt auf ausreichender Bewegung und Diät. Bisher gibt es noch keine erfolgversprechende schulmedizinische Behandlung gegen das Equine Metabolische Syndrom.
Quellenangaben
https://ceh.vetmed.ucdavis.edu/health-topics/equine-metabolic-syndrome
https://flexikon.doccheck.com/de/Metabolisches_Syndrom_(Pferd)
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