Von Claudia Becker, Erstveröffentlichung am 04.01.2023 - Nachwuchs kündigt sich an – die Gefühle fahren Achterbahn. Gleichzeitig kommt die Frage auf, ob Reiten in der Schwangerschaft eine super Idee oder doch zu gefährlich ist. Die Nachfrage bei Frauenarzt oder Hebamme bringt nur selten ein klares Ergebnis – zu viele Faktoren haben Einfluss auf die Antwort.
Oft wird aus Vorsicht oder zur rechtlichen Absicherung vom Reiten in der Schwangerschaft abgeraten. Auch der Kenntnisstand im Hinblick auf den Reitsport hat Einfluss auf die Reaktion, ebenso wie der bisherige Verlauf der Schwangerschaft aus medizinischer Sicht. Aber was ist nun der richtige Weg?
Jedes sportliche Hobby kann in der Schwangerschaft ein Risiko darstellen. Andererseits bewältigt ein – zumindest maßvoll – trainierter Körper die Anstrengungen einer Schwangerschaft deutlich besser als ein untrainierter.
Erfahrene Reiterinnen können von der regelmäßigen Bewegung profitieren.
deinen Kreislauf ankurbelt und die Beckenmuskulatur trainiert? Du profitierst dabei sogar mental. Wenn du das sportliche Level senkst und auf intensives Training verzichtest, tritt die Beziehung zu deinem Pferd in den Vordergrund. Dann genießt du die Stunden mit deinem Tier ohne Leistungsdruck bei entspannten Ausritten und Spaziergängen. Dabei tankst du Energie, die du für die Geburt und die Zeit danach dringend brauchst. Die Beschäftigung mit dem Pferd erlaubt dir, abzuschalten und den hektischen Alltag zu vergessen. Du lebst im Hier und Jetzt. Das bringt dich innerlich zur Ruhe und bereitet dich auf das große Ereignis vor. Außerdem sind die sanften Schaukelbewegungen beim Reiten gut für dein Kind. Das Ungeborene spürt, dass alles in Ordnung ist und dass sich seine Mutter wohlfühlt.
Folgende Faktoren führen zu einem erhöhten Risiko beim Reiten in der Schwangerschaft:
Nicht von der Hand zu weisen sind beim Reiten in der Schwangerschaft ein erhöhtes Verletzungsrisiko beim Sturz, die Gefahr von Unterleibsbeschwerden bei Überbelastung und Probleme durch die eingeschränkte Beweglichkeit – sowohl beim Reiten als auch beim Auf- und Absteigen. Die Sicherheit lässt sich erhöhen, indem die Reiterin
Einmal angenommen, das schlimmste Szenario tritt ein, du stürzt vom Pferd oder du kommst auf eine andere Art und Weise zu Schaden. Das Risiko ist nicht nur für dein Kind, sondern auch für dich selbst sehr hoch. Schließlich kann sich eine schwangere Frau nicht so leicht abrollen, weil der dicke Bauch die Beweglichkeit einschränkt. Geht es dir schlecht, dann leidet auch dein ungeborenes Kind. Schon ein Beinbruch ist aufgrund der OP und Medikation eine Belastung.
Das passiert nach einem Sturz:
Grundsätzlich können trainierte und erfahrene Reiterinnen in der Schwangerschaft länger reiten als Reiteinsteigerinnen oder Gelegenheitsreiterinnen. Bei langjähriger Reiterfahrung werden Entscheidungen, was reiterlich noch möglich ist oder lieber unterlassen werden sollte, recht gut aus dem Bauch heraus getroffen. Die für das Reiten in der Schwangerschaft benötigte Muskulatur ist gut ausgebildet, Sitz und Reaktionsvermögen sind geschult und gefestigt.
Untrainierte und ungeübte Reiterinnen legen während der Schwangerschaft besser eine Reitpause ein. Putzen, Bodenarbeit oder Spaziergänge mit dem Pferd sind sinnvolle Alternativen zum Reiten in der Schwangerschaft. Eine Reitbeteiligung, die das Pferd regelmäßig bewegt, ist ebenfalls eine gute Lösung.
Eine allgemeingültige Antwort auf die Frage, ob Reiten in der Schwangerschaft möglich, hilfreich oder eher riskant ist, kann niemand hundertprozentig geben. Auch lässt sich nicht pauschal sagen, bis zu welcher Schwangerschaftswoche das Reiten erlaubt ist. Einige Reiterinnen steigen nicht mehr aufs Pferd, sobald sie von der Schwangerschaft wissen – andere reiten bis wenige Tage vor der Entbindung. Jede Schwangerschaft verläuft anders, jede Frau hat ihr eigenes Körpergefühl und auch die Psyche sowie die äußeren Umstände sind individuell verschieden. Letztendlich muss jede Reiterin selbst Nutzen und Risiko abwägen – die Entscheidung kann ihr keiner abnehmen.
Ich bin wenige Wochen vor der Geburt noch geritten und habe bis zum achten Monat im Pferdestall gearbeitet. Mein Frauenarzt meinte, dass ich alles tun durfte, woran ich körperlich gewohnt war. Zu den Tabus gehörten neue Herausforderungen und außergewöhnliche Belastungen. Dass es mit dem Reiten so gut klappte, lag auch an der Gelassenheit meines Pferdes. Mit Skythia hatte ich eine absolut zuverlässige Partnerin an meiner Seite. Wir sind überwiegend im Schritt ausgeritten. Mit zunehmendem Bauchumfang reduzierte ich das Tempo.
Während meiner zweiten Schwangerschaft war es mit dem Reiten weitgehend vorbei. In der Halle traben, während der Erstgeborene friedlich im Kinderwagen schlief, funktionierte bei anderen, aber nicht bei mir. Auch das Ausmisten mit Tragetuch klappte wider Erwarten nicht. Mein Sohn war einfach zu munter. Mit dem wachsenden Bauch und dem quengelnden Kleinkind war ich stark gehandicapt. Zum Glück gab es bei uns im Stall eine Führmaschine. Genieße die Schwangerschaft. Wenn das Baby da ist, ist alles viel komplizierter.
Auch, wenn das Abwarten schwerfällt – eine gewisse Zeit braucht der Körper nach einer Entbindung zur Erholung. Ist die Geburt normal verlaufen, kann nach rund vier Wochen mit der Rückbildungsgymnastik begonnen werden – manchmal auch erst nach sechs bis acht Wochen. Die Gymnastik dient unter anderem dazu, die Rückbildung der Gebärmutter zu unterstützen und die Beckenbodenmuskulatur zu stärken. Wichtig ist, dass eventuelle Geburtsverletzungen abgeheilt sind und keine Schmerzen mehr verursachen.
Die Hebamme ist eine gute Ansprechpartnerin, um den richtigen Zeitpunkt für den Beginn der Rückbildungsgymnastik abzuschätzen. Nach etwa sechs bis acht Wochen kann oft auch wieder mit dem Reiten begonnen werden. Die Verläufe von Schwangerschaft und Geburt bestimmen den Starttermin mit. Gab es Komplikationen, ist eine längere Pause angeraten als bei einem unkomplizierten Verlauf. Nach einem Kaiserschnitt dauert die Heilungsphase eher zwölf Wochen.
Es ist ganz normal, dass sich der Körper durch die Schwangerschaft stark verändert. Das Körpergewicht nimmt zu und die Bauchmuskulatur ab. Die Muskeln sind weicher als zuvor und der Beckenboden ist strapaziert. Für die Stärkung des Beckenbodens ist das Reiten hervorragend geeignet und daher sowohl nach einer natürlichen Geburt als auch nach einem Kaiserschnitt zu empfehlen. Es sollte aber nicht zu früh damit gestartet werden. Bis zum Erreichen der alten Form kann einige Zeit vergehen. Wichtig ist, sich nicht selbst unter Druck zu setzen.
Die Rückbildung nach einem Kaiserschnitt dauert länger als nach einer natürlichen Geburt. Die tieferen Gewebeverletzungen müssen genug Zeit haben, um abzuheilen. Besonders achtzugeben ist nicht nur auf den Beckenboden, sondern auch auf die Bauchmuskeln. Diese werden beim Kaiserschnitt stark in Mitleidenschaft gezogen – durch das Auseinanderdehnen oder, je nach Technik, durch den Schnitt. Die Bauchmuskeln sind zunächst bei der Rückbildungsgymnastik mit speziellen Übungen zu trainieren, damit sich der Bauchspalt wieder schließt.
Die Kaiserschnittnarbe ist im Normalfall nach etwa sechs Wochen verheilt. Es können bei Überbelastung aber noch eine Weile kleinste innere Verletzungen mit dem Risiko anschließender Verwachsungen entstehen. Deshalb wird in der Regel empfohlen, nicht vor der zwölften Woche nach einer Entbindung durch Kaiserschnitt langsam wieder mit dem Reiten zu beginnen. Kompetente Ansprechpartner sind auch hier Hebammen und Gynäkologen. Zu Beginn können einige Runden im Schritt das Lebensgefühl schon deutlich verbessern; die körperlichen Belastungen sind langsam zu steigern.
Ist reiten in der Schwangerschaft schädlich?
Wenn du nicht vom Pferd fällst oder dich überanstrengst, schadet dir das Reiten während der Schwangerschaft nicht. Es bringt sogar Vorteile, wenn du durch regelmäßige Bewegung deine Grundkondition beibehältst. Voraussetzung ist, dass die Schwangerschaft normal verläuft und du nicht gesundheitlich vorbelastet bist.
Wissen Pferde, ob eine Frau schwanger ist?
Pferde können gleich zu Anfang der Trächtigkeit aufgrund des veränderten Körpergeruchs einer Stute feststellen, ob sie tragend ist. Das hat den Vorteil, dass ein Hengst die Stute ab diesem Zeitpunkt „in Ruhe lässt“ und das Ungeborene sich möglichst stressfrei entwickeln kann. Höchstwahrscheinlich können Pferde auch beim Menschen riechen, ob eine Frau schwanger ist.
Bis wann darf man in der Schwangerschaft reiten?
Du spürst in der Regel selbst, wie lange dir das Reiten guttut. Frauen, die zuvor fast täglich geritten sind, behalten diese Angewohnheit oft bis kurz vor der Entbindung bei. Achte auf dein Körpergefühl und den Verlauf der Schwangerschaft.
Reiten in der Schwangerschaft hält fit und entspannt, bringt aber mehr Risiken mit sich als manch andere Sportart. Schließlich ist der Trainingspartner ein großes, schweres Tier, das auch unkontrollierbar reagieren oder stolpern und stürzen kann. Bei einer geübten Reiterin, einem unkomplizierten Schwangerschaftsverlauf und mit einem ruhigen, nervenstarken Tier ist das Risiko noch relativ überschaubar.
Trotzdem sollte die Entscheidung für oder gegen das Reiten in der Schwangerschaft immer im Einklang mit dem eigenen Sicherheitsgefühl erfolgen. Ob beim Reiten in der Schwangerschaft oder nach der Entbindung: Melden Körper oder Gefühl Unsicherheit oder unangenehme Empfindungen, ist es besser, zu pausieren. Es gibt gute Alternativen wie Spaziergänge, Bodenarbeit oder eine Reitbeteiligung, die dem Pferd die notwendige Bewegung verschaffen.
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