Ohne sein Nackenband könnte ein Pferd keinen Reiter tragen. Es müsste sogar unglaublich viel Kraft aufwenden, um das Gewicht von seinem eigenen Kopf, Hals und Rumpf zu stemmen. Das Nackenband beim Pferd ist eine solide sehnige Konstruktion, die vom Hinterkopf über den Hals, den Widerrist und schließlich als Nackenrückenband über die Brustwirbelsäule bis hin zur Kruppe verläuft. Schädigungen wie Nackenbandentzündungen bei Pferden wurde bisher viel zu wenig Beachtung geschenkt – dabei können sie schwerwiegende Symptome verursachen und unbehandelt dazu führen, dass Pferde unreitbar werden.
Redaktionelle Mitarbeit: Nelly Sophie Lönker, Medizinredaktion
Diese Seite soll Pferdehalterinnen und Pferdehaltern lediglich Informationen über Krankheiten und Symptome beim Pferd vermitteln. Die Informationen dürfen weder die Beratung oder Behandlung durch einen Tierarzt ersetzen noch dazu verwendet werden, eigenständig medizinische Behandlungen vorzunehmen. Sie dienen nicht zur Selbstdiagnose und/oder Selbstbehandlung und ersetzt keinesfalls die Diagnose durch einen Tierarzt.
Das Nackenband (Ligamentum nuchae) setzt am Hinterhauptsbein – dem Os occipitale – am Pferdekopf an und zieht sich bis hinunter zum Widerrist. Es besteht aus zwei verschiedenen Partien. Der fächerförmige Teil, der beidseitig von der Halswirbelsäule an den seitlichen Schenkeln der Halswirbel ansetzt, wird Nackenplatte oder Lamina nuchae genannt. Wie bei allen anderen Säugetieren auch, besteht die Halswirbelsäule (HWS) der Pferde aus sieben Halswirbeln.
Bei den „Urpferden“, den heutigen Zebras und einigen ursprünglichen Pony-Rassen wird der gesamte Hals von den fächerförmigen Unterstützungsbändern der Nackenplatte stabilisiert. Man kann ihre Ansätze vom zweiten bis zum siebten Halswirbel (C2 bis C7) in bildgebenden Verfahren gut erkennen. Anders bei unseren domestizierten Pferden: Hier sind nicht mehr alle sieben Wirbel mit der Nackenplatte verbunden. Ansätze der Nackenplatte finden sich nur noch vom zweiten bis zum fünften Halswirbel. Die beiden unteren Wirbel (C6 + C7) werden nur noch durch die Muskulatur stabilisiert.
Der Nackenstrang ist der Teil des Nackenbands beim Pferd, welcher vom Hinterhauptsbein direkt unter dem Mähnenkamm über die Nackenplatte verläuft und an den Dornfortsätzen des dritten und vierten Brustwirbels – dem Widerrist – ansetzt. Er bildet dort die sogenannte „Widerristkappe“. Zwischen den Wirbeln der HWS befinden sich die Bandscheiben und die sogenannten „Facettengelenke“. Das sind relativ kleine Wirbelgelenke, die dem Pferdehals eine große Beweglichkeit ermöglichen.
Hals und Kopf machen in etwa ein Drittel des Gesamtgewichts eines Pferdes aus. Der Pferdehals ist ähnlich konstruiert wie der Lastenarm bei einem Kran. Durch seine Elastizität hilft das Nackenband dem Pferd, weniger Muskelkraft zum Bewegen dieser schweren Last aufzuwenden. Um seinen Hals waagerecht zu tragen, braucht ein Pferd kaum Kraft einzusetzen: In dieser Position ist das Nackenband weder gedehnt noch angespannt.
Beim Grasen wird das Nackenband der Pferde gedehnt. Dadurch richten sich die Dornfortsätze der Rückenwirbel auf, was wiederum die gesamte Rückenpartie anhebt. Auf diese Weise hilft das Nackenband Pferden dabei, ihr eigenes Körpergewicht leichter zu tragen. Der Rumpf ist bei pferdeartigen Säugetieren nicht durch Schlüsselbeine fest verankert. Dabei handelt es sich um eine Art Stoßdämpfersystem, das Verschleißerscheinungen der Vorhand durch die hohe Gewichtsbelastung im Trab oder Galopp reduziert.
Akute Problematiken mit dem Nackenband äußern sich meistens recht deutlich: Dein Pferd „zickt herum“, wenn du es aufhalftern oder satteln willst, es lässt sich nicht biegen, wehrt sich gegen den Zügel, stolpert öfters oder fängt sogar plötzlich an zu steigen. Ein Problem am Nackenband beim Pferd kann sogar Ataxien und Lahmheiten auf der Vor- oder Hinterhand provozieren. Wenn dein Pferd von heute auf morgen plötzlich sein Verhalten oder sein Gangbild verändert, solltest du immer auch die Möglichkeit einer zervikalen Dysfunktion im Kopf haben.
Chronische Halswirbelsäulenprobleme beim Pferd verursachen oft weniger deutliche Symptome. Die meisten Tiere mit chronischen Schmerzen arrangieren sich durch eine Schonhaltung und/oder eine Vermeidungsstrategie mit ihrem Zustand. Viele haben es aufgegeben, sich gegen die Schmerzen zu wehren. Sie haben oft einen „in sich gekehrten Blick“, wirken apathisch und reagieren nur wenig auf Außenreize. In solchen Fällen wird ein Pferd oft erst dann untersucht, wenn es eindeutig lahm geht oder sogar Ataxien zeigt.
Mögliche Symptome bei einer Läsion des Nackenbands beim Pferd:
Es gibt zahlreiche Ursachen für zervikale Dysfunktionen (Halswirbelsäulenprobleme) beim Pferd. Einige davon – wie beispielsweise ECVM oder „Equine cervical vertebral malformation“ – sind angeboren und haben mit den Halswirbeln zu tun. Verengungen der Wirbelkanäle an der Halswirbelsäule können durch Altersprozesse (Arthrose) entstehen, aber auch durch chronische Entzündungen im Bereich des Nackenbands beim Pferd, die zur Verkalkungen an den Wirbeln (Exostosen) führen. Ohne eine eingehende Untersuchung durch den Tierarzt ist es nur schwer möglich, diese Zustände von einer reinen Nackenband-Problematik abzugrenzen.
Probleme mit dem Nackenband beim Pferd sind zumeist erworben. Typischerweise treten sie vor allem bei Dressurpferden auf. Sie beruhen fast immer auf einer Überlastung, seltener auch auf einem Trauma. Nackenbandschäden wie Genickbeulen (Schleimbeutelentzündungen), Nackenbandverkalkung und Insertionsdesmopathien (Faserabrisse am Ansatz des Nackenbands) sind fast durchweg auf Überlastung zurückzuführen. Eine falsche Reitweise – Nase hinter der Senkrechten oder „Rollkur“ – zu eng geschnallte Ausbinder und ein häufiger Gebrauch von Schlaufzügeln führen häufig zu Mikrorissen im Gewebe des Nackenbands beim Pferd, die sich mit der Zeit verschlimmern.
Fohlen und Jungpferde bis zum sechsten Lebensjahr, deren Skelett noch nicht voll ausgebildet ist, können auch aufgrund eines Traumas im Nackenbereich eine zervikale Dysfunktion (Funktionsstörung im Halsbereich) entwickeln. Wenn sie sich angebunden mit voller Kraft gegen das Halfter werfen oder sich sogar überschlagen, können Nerven und andere Strukturen im Nackenbereich gequetscht werden und anschließend Symptome einer Nackenbandentzündung provozieren. Solche Unfälle können sogar Frakturen oder kleinere Knochenabsplitterungen verursachen.
In seltenen Fällen können Schäden am Nackenband beim Pferd auch eine parasitäre Ursache haben. Filarien (Onchocerca spp.) sind bis zu 50 Zentimeter lange Würmer. Erwachsene Onchocerca cervicalis setzen sich im Nackenband von Pferden fest und verursachen dort glasig erscheinende Streifen, die dazu führen, dass das Band brüchig wird. Wenn die Würmer absterben, entstehen Entzündungsherde, die verkalken und/oder Fisteln bilden. Die Larven der Filarien – „Mikrofilarien“ genannt – sitzen in der Unterhaut der Flanken, der Nabelregion und im Auge der Pferde. Filarien werden zumeist durch Gnitzen (Culicoides) übertragen.
Um sich im Vorfeld ein ungefähres Bild über etwa infrage kommende Dysfunktionen am Hals deines Pferdes zu machen, wird der Tierarzt dich eingehend befragen. Darauf folgt die klinische Untersuchung: PAT-Werte, Abtasten, Biegungen und Beugungen sowie das Vorführen an der Hand und unter Umständen auch unter dem Reiter.
Da es bei Pferden so viele verschiedene Gesundheitsprobleme im Halsbereich geben kann, versucht der Tierarzt, die Problematik „einzukreisen“. Seine Verdachtsdiagnose kann er im Optimalfall mit bildgebenden Verfahren wie Ultraschall, Röntgen, MRT oder Szintigrafie untermauern. Halswirbelsäulenprobleme beim Pferd sind durch bildgebende Verfahren aber nicht immer so einfach einzugrenzen, weil sich im Halsbereich so viele verschiedene Strukturen überlagern.
Die Therapie einer Schädigung des Nackenbands beim Pferd richtet sich ganz nach Art und Ursache der Läsion. Bei einem partiellen Bänderabriss am Ansatz des Nackenbands (Insertionsdesmopathie) wird dein Tierarzt wahrscheinlich andere Schritte einleiten als bei einer Genickbeule (Bursitis). Wenn das Problem parasitäre Ursachen haben sollte, ist wieder eine andere Vorgehensweise angesagt. Sämtliche Schädigungen verursachen aber eine Entzündung im Bereich des Nackenbands beim Pferd: Der Pferdeorganismus baut durch die Entzündung abgestorbene Zellen ab.
In allen Fällen, bei denen keine Einweisung in eine Pferdeklinik notwendig ist, wird der Tierarzt deinem Pferd für die nächste Zeit Paddock- oder Boxenruhe – selbstverständlich ohne Halfter – verordnen. So kann der Pferdekörper die geschädigten Strukturen ungestört wieder aufbauen. Gegen die Entzündung wird er höchstwahrscheinlich NSAIDs (nichtsteroidale Antiphlogistika, abschwellende Schmerzmittel ohne Kortison) verabreichen, um deinem Pferd Schmerzen zu ersparen und den Heilungsprozess zu beschleunigen.
Bestimmt ist dir schon aufgefallen, wie stark die einzelnen Muskeln, Sehnen und Bänder bei Pferden miteinander vernetzt sind. Deshalb lohnt es sich, anstelle einfach nur Symptome zu behandeln, einen ganzheitlichen Blick auf Erkrankungen im Halswirbelsäulenbereich zu werfen. Mittlerweile gibt es viele Tierärzte, die neben der Schulmedizin auch ganzheitliche Therapiekonzepte anwenden. Und oft können Pferdephysiotherapeuten oder Osteopathen einen wichtigen Beitrag zur Therapie der Krankheiten im Bereich der Halswirbelsäule von Pferden leisten.
Parasitäre Ursachen für eine Nackenbandentzündung kannst du problemlos ausschalten, indem du dein Pferd regelmäßig mit einem geeigneten Antiparasitikum entwurmst. Schleimbeutelentzündungen (Genickbeulen) und Abrisse von Gewebefasern am Ansatz des Nackenbands (Insertionsdesmopathie) werden zumeist dadurch verursacht, dass sportlich ambitionierte Reiter ihre Pferde nicht „von hinten nach vorne arbeiten“. Sie tun das garantiert nicht in böser Absicht.
Sie versuchen einfach auf mechanischem Weg – durch zu starke, permanente Zügeleinwirkung oder durch Hilfszügel – ihr Pferd in bestimmte Positionen zu bringen, die es aufgrund seines Ausbildungsstands noch nicht „hergibt“. Wer auf solche Maßnahmen verzichtet, verringert ganz massiv das Risiko einer Halswirbelsäulenerkrankung beim Pferd.
Unser Tipp: Statt Geld für Hilfszügel auszugeben, eher in eine Supervision durch einen guten Trainer investieren.
Quellenangaben
https://edoc.ub.uni-muenchen.de/12013/1/Engel_Matthias.pdf
https://vet-stosswelle.de/pferde/
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20919848/
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